Filmstarts à la carte
: Der böse Witz

Trist geht es zu in den Filmen von Aki Kaurismäki: Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, die traurige Routine eines stumpfsinnigen Lebens - von diesen Dingen erzählt auch „Wolken ziehen vorüber“ (1995). Und doch scheint diesmal alles ein wenig anders zu sein: allein schon der Filmtitel - und dann singt gleich zu Beginn der Barpianist auch noch „Wrap the World in Happy Paper“. Die Hauptperson des Dramas, die Oberkellnerin Ilona (Kati Outinen), macht auch nicht gerade den Eindruck, als lasse sie sich leicht das Butter vom Brot nehmen. Denn als der Koch im Suff mal wieder einen Anfall bekommt, schafft sie, was dem bulligen Portier des Restaurants nicht gelingt: dem Trunkenbold das Messer aus der Hand zu nehmen. Trotzdem wird es für Ilona und ihren Mann, den Straßenbahnfahrer Lauri, zunächst einmal stetig abwärts gehen im Leben: Beide werden arbeitslos und die auf Raten gekauften Möbel wieder abgeholt. Lauri verliert seinen Berufsführerschein, weil er auf einem Ohr beinahe taub ist. Ilona fällt auf einen dubiosen Arbeitsvermittler und einen noch seltsameren Arbeitgeber herein. Es ist die Fähigkeit, all dies in kurzen, meist elliptischen Szenen ohne viele Worte zu erzählen, die Kaurismäkis große Meisterschaft ausmachen: Da reicht dann eine kurze Kamerafahrt auf Lauris Gesicht zu, um zu verdeutlichen, wer jetzt gleich seinen Job verlieren wird. Oder eine Kamerafahrt von Ilona weg, um die Vergeblichkeit ihrer Arbeitssuche erfahrbar zu machen. Zum Schluß geht alles gut aus: Ilona und Lauri eröffnen gemeinsam mit dem Personal von Ilonas alter Arbeitsstätte das Restaurant „Arbeit“, das sogleich zu einem Bombenerfolg wird. Die Wolken sind tatsächlich vorübergezogen - und doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob dies nur ein kleiner, böser Witz des Regisseurs sei, dem einfach einmal nach Märchen zumute war.

„Wolken ziehen vorüber“ 6./7. 4. im Filmmuseum Potsdam

In den letzten Jahren haben sich die Sehgewohnheiten rapide verändert. So mag sich heute, wo doch fast alles möglich und erlaubt scheint, manch jüngerer Kinozuschauer verwundert fragen, was an den bahnbrechenden Werken der Filmgeschichte einst so revolutionär wirkte, das sie - wie Max Ophüls‘ Meisterwerk „Lola Montez“ (1955) - beim zeitgenössischen Publikum Verwirrung und Protest auslösen konnten. An Ophüls‘ Film missfiel seinerzeit vor allem die Struktur mehrerer sich gegenseitig kommentierender Handlungsebenen: Während die berüchtigte Kurtisane Lola in einem Zirkus in New Orleans Szenen ihres bewegten Lebens nachstellt, erinnert sie sich - in nicht immer chronologischen Rückblenden - an ihre Liebschaften mit König Ludwig von Bayern und dem Komponisten Franz Liszt. Dabei straft Lolas Erinnerung an die unglücklichen Amouren die glorifizierenden Kommentare des Zirkus-Conferenciers (Peter Ustinov) durchweg Lügen. Das Chaos im Verlauf der etwas dubiosen Produktion nutzte Max Ophüls recht schamlos aus: Er verwendete das Riesenbudget nach eigenem Gutdünken, experimentierte mit Farbe und CinemaScope und präsentierte seinen Geldgebern, die eher eine frivole Sittenkomödie erwartet hatten, einen Film, der lediglich ein Zehntel der Herstellungskosten wieder einspielen sollte.

„Lola Montez“ (OF) 9. 4. im Arsenal

Es ist die ultimative schwarze Komödie über den Irrwitz des Kalten Krieges und eine außer Kontrolle geratene Technik: In Stanley Kubricks „Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ löst ein paranoider General (Sterling Hayden) den Atomkrieg aus, ein Bomberpilot (Slim Pickens) rast als letzter Cowboy der Vernichtung der Menschheit entgegen, und der amerikanische Präsident (Peter Sellers) streitet sich mit dem betrunkenen russischen Premier in einem abstrusen Telefongespräch darüber, wem die ganze Sache mehr Leid tut.

„Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ 8. 4. in der Urania

Lars Penning