tamtürktür ... der wahre türke (8)
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von BJÖRN BLASCHKE

Vor einiger Zeit repetierte ich die schönsten türkischen Nachnamen, die im Jahr 1934 geboren wurden, nachdem Kemal Atatürk seinen Türkenkindern befohlen hatte, sich zu benachnamen. Auch bei der Wahl ihrer Vornamen sind die Türken bisweilen sehr kreativ. So kenne ich in Istanbul einen Mann namens Eylemcagri, was nichts Geringeres bedeutet als „Ruf nach Revolution“.

Ich habe Eylemcagri zum ersten Mal im „Tarihi Cumhuriyet Meyhanesi“ getroffen. Das Restaurant zeichnet sich durch hervorragende Speisen aus. Insbesondere die Vorspeisen, die „Meze“ heißen, zählen zu dem Besten, was Herrgott Lüküllüs je zusammengequirlt hat. Zudem bietet das Lokal große Mengen Raki und Bier – obwohl sich das Restaurant in Beyoglu befindet, einem Stadtteil, in dem der Alkoholausfluss in dem Maße abnimmt, in dem der Einfluss der islamistischen Zumselbärte und Schleiereulen zunimmt. Das Beste am „Tarihi Cumhuriyet Meyhanesi“ ist indes das Personal. Die Köche sehen aus wie Gewerkschafter von der „Bausch-Deine-Beschwerden-Glück-Auf“-Front; die Kellner wie kölsche Köbese, nur dass sie alle Schnurrbärte tragen – wie Kemal, bevor er sich selbst Atatürk hieß. Womit ich etwas umständlich wieder bei Eylemcagri angelangt bin.

Eylemcagri ist Stammgast im „Tarihi Cumhuriyet Meyhanesi“, weil es ein Treffpunkt überzeugter Kemalisten ist. Wie sie glaubt er an die Lehre Atatürks, die nicht nur Nachnamen produzierte, sondern auch eine Trennung von Staat und Religion und einen starken Nationalismus. Sein Vater, so erzählte Eylemcagri während unseres ersten Treffens, habe den Kemalismus immer abgelehnt und sich stattdessen gegen Nationalismus und für eine kommunistische Weltherrschaft eingesetzt. Und deshalb auch habe er seinen Sohn „Ruf nach Revolution“ genannt.

Probleme gebe es wegen seines Namens kaum. Früher sei er manchmal von seinen Mitschülern mit „Ruf nach roter Grütze“ gehänselt worden, und ein Lehrer habe ihn immer mit „Sozialistensöhneken“ angesprochen. Aber das seien Ausnahmen gewesen in einer Welt der skurrilen Vornamen: Er kenne eine Frau, die „Bahtia“ heiße – benannt nach der „glücklichen Kuh“, die Atatürk einst seiner Mutter geschenkt hatte. Kinder anderer Eltern seien nach Fußballclubs benannt, was seiner Meinung nach bei „Galatasaray“ noch „tamam“ gehe. „Trabzon Spor“ allerdings klinge seltsam. Seit im Frühjahr 2000 der Oberste Gerichtshof der Türkei entschied, dass jeder einen seiner Tradition gemäßen Namen wählen darf, sind kurdische Vornamen in: „Rohat“ zum Beispiel, „Morgenröte“.

Nach wie vor stünden aber politische Vornamen hoch im Kurs. „Refah“ sei beliebt gewesen, bevor die Partei des „Wohlstandes“ 1998 verboten wurde, weil ihre islamistischen Tendenzen aus Sicht der Militärs den Laizismus gefährdeten. Danach seien die Fundis dazu übergegangen, ihre Töchter zu Ehren der Nachfolgepartei „Fazilet“ („Tugend“) zu nennen. Er selbst sei übrigens liiert mit einer Frau, deren Vater sie nach der Mutter aller „grauen Wölfe“ benannt habe: „Asena“.