die stimme der kritik
: Betr.: Rüttgers versöhnt sich mit den Indern

Der Wunsch nach der Banane

Jürgen Rüttgers ist ein netter Mensch. Er kann über sich selbst lachen und ist auch gar nicht nachtragend. Das hat der Nachrichtensender N24 herausgefunden. Für dessen Rubrik „So isst Politik“ hat der stellvertretende CDU-Vorsitzende, der mit dem Slogan „Kinder statt Inder“ in Verbindung gebracht wird, jetzt ausgerechnet in einem indischen Restaurant ein Interview gegeben. Das findet man bei N24 echt lustig.

Der Sender bescheinigt Jürgen Rüttgers in einer Pressemitteilung „Fähigkeit zur Selbstironie“ und ist darüber hinaus gerne bereit, auf Anfrage ein Foto zu liefern. Meinen die Kollegen, es bedarf eines Beweises dafür, dass Rüttgers gelegentlich etwas anderes zu sich nimmt als Himmel un Ääd? Das ist ungerecht. So provinziell wirkt er nun auch wieder nicht.

Der Politiker habe während des Interviews klargestellt, dass er selbst den Spruch „Kinder statt Inder“ nie verwendet habe, teilt N24 mit. Laut dem Senders zeigte sich Rüttgers damit „versöhnlich“. Wem gegenüber? Den Indern? Die haben ihm ja nun eigentlich bisher nichts getan, außer dass sie partout nicht hierher kommen wollen. Oder N24 gegenüber? Das sollte sich Rüttgers noch einmal gut überlegen. Wer so dämliche Pressemitteilungen formuliert, sollte nicht auf Nachsicht hoffen dürfen.

Wirklich neu ist die Behauptung des CDU-Politikers übrigens nicht, er selbst habe den umstrittenen Slogan nie benutzt. Seit der verlorenen Landtagswahl hat er das schon häufiger gesagt. Vorher allerdings nicht. Aber nun verstehen wir, warum er sich nicht sofort von allen Kindern und Indern distanziert hat. Seine Begründung greift ans Herz: Er habe gemerkt, „wie es ist, wenn eine Kampagne über einem zusammenschlägt“. Und keine Chance mehr gehabt, sich dagegen zu wehren: „Wenn ich sagen würde, ich distanziere mich davon, würden alle sagen: ‚Also hat er es doch gesagt‘, also ist man ein Stück weit ausgeliefert.“ Ach, so war das.

Es ist gut, dass wir darüber gesprochen haben. Manche haben bisher geglaubt, die CDU verhalte sich seit der erfolgreichen Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft wie der berühmte Affe, der gelernt hat, dass er nach einem Knopfdruck immer eine Banane bekommt. Und der diesen Knopf deshalb immer häufiger und hektischer drückt. Jetzt endlich wissen wir, was den Menschen vom Affen unterscheidet: die Möglichkeit, sich vom Wunsch nach einer Banane zu distanzieren. BETTINA GAUS