Umweltskandal bei der Mülldeponie?

■ In der Blockland-Deponie soll eine Reinigungsanlage abgebaut werden. Mit dem Ergebnis, so die Grünen, dass hochgiftige Stoffe in Weser und Nordsee landen. Der BEB wird die Anlage zu teuer

Schaffen die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) eine Anlage, mit der bislang hochgiftiges Sickerwasser gereinigt wurde, aus rein ökonomischen Gründen ab und das unter gravierender Missachtung ökologischer Standards?

Mit wissenschaftlicher Verstärkung prangerte die umweltpolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, Karin Mathes, gestern den Entschluss der BEB an, die Abwässer der alten Blockländer Deponie mit denen der Erweiterungsfläche zu mischen und in die Kanalisation zu leiten. Bisher wurden die gefährlichen Stoffe herausgefiltert und in der Deponie wieder „verrieselt“ – sie sind also auf dem Müllberg geblieben. Jetzt sollen die Abwässer in einem Auffangbecken gesammelt und per Kanal in die Kläranlage in Seehausen verbracht werden: „Aber diese Kläranlage ist technisch nicht imstande, die Stoffe aufzuhalten“, so Siegmund Fröhlich, chemischer Verfahrenstechniker an der Fachhochschule Ostfriesland und Fachmann für Reinigungsanlagen.

Ihm zufolge handeln die BEB nicht nur unökologisch, sondern schlicht widerrechtlich. Nach dem Schadstoffmuster der beiden Anlagen – der Erweiterungsfläche und der alten Deponie – lagert dort Müll verschiedener Herkunft, dessen Abwässer nicht vermischt werden dürfen.

In den Proben hat der Verfahrenstechniker Stoffe gefunden, die überhaupt nicht abbaubar sind und „die zum Teil gefährlicher als TBT sind“. Stoffe wie DDT, Pestizide, Kohlenwasserstoffe, die, so Karin Mathes, krebserregend und Erbgut verändernd sind. Sie gelangen über die Kläranlage in die Weser, von dort in die Nordsee und über den Fangfisch in die Nahrungskette.

„Umweltpolitisch ist das ein Dammbruch“, sagt die Grüne, „und es ist besonders unglaubwürdig, wenn Umweltsenatorin Wischer einerseits Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für die Reinerhaltung der Weser ist und gleichzeitig den Abbau der Reinigungsanlage genehmigt.“ „Global gut aussehen, lokal versagen, so nenne ich das“, empört sich die Grüne.

Das Umweltressort versucht indes, den Ball flach zu halten: Die Behauptung der Grünen, der städtische Eigenbetrieb der BEB sei ein Umweltfrevler, werde auch durch Wiederholung nicht wahr. Die Grenzwerte würden eingehalten und ständig überprüft.

Damit aber ist die verantwortliche Behörde nach Ansicht der Grünen noch lange nicht aus dem Schneider. Immerhin haben die Entsorgungsbetriebe die Reinigungsanlage, die jährlich über eine Million Mark an Miete, Strom und Personal kostet, 1993 angeschafft, um die giftigen Stoffe herauszufiltern. Jetzt gelte das Verschlechterungsverbot: Ein einmal erreichter ökologischer Standard darf nicht mehr unterlaufen werden. Und noch eins ärgert die Grünen: Die Grenzwerte beim Sickerwasser werden nur deshalb nicht unterschritten, weil Grundwasser und Regen die giftige Brühe sozusagen verlängern. „Man müsste aber das Grundwasser zurückhalten und das Regenwasser rausrechnen, dann hätte man dort ganz andere Werte.“

Hätte, könnte, müsste. „Sie können alle möglichen Sachen filtern“, sagt der Sprecher der BEB, Reinhard Holtien. „Aber es ist nunmal auch eine Frage des Geldes: Wer bezahlt das, und wer will das bezahlen?“. Man habe die Anlage 1993 eingerichtet, „um auf der sicheren Seite zu sein, aber wir bleiben auch ohne diese Reinigung unterhalb der Grenzwerte“. Also habe man den Antrag an die Umweltsenatorin gestellt, die Anlage abzuschaffen. Diesen Antrag hat Senatorin Christine Wischer (SPD) im Sommer letzten Jahres genehmigt. Widerrechtlich, wie die Grünen meinen. Sie wollen – „wenn sonst nichts hilft“ – gegen den Entschluss klagen.

„Der Hintergrund“, so vermutet Karin Mathes, „ist ökonomischer und politischer Natur“. Die große Koalition habe versprochen, die Müllgebühren in dieser Legislaturperiode nicht noch einmal zu erhöhen. Also muss die verhältnismäßig teure Anlage weg. „Aber“, so die Grüne, „wenn die Umweltsenatorin bei dieser Gewässerverschmutzung mitmacht, dann hat sie den Job verfehlt.“

Elke Heyduck