themenläden und andere clubs
: Die Berliner Clublandschaft setzt jetzt auf Inhalte

Das ist Content, Schätzchen

In den letzten Wochen haben wir uns in dieser Gesellschaftskolumne mit Phänomenen der Erwachsenenunterhaltung beschäftigt, haben Trends aufgespürt, erspäht und gedeutet. Unsere Schwerpunkte waren dabei: die Vernissagen, die Tanzveranstaltungen bei geschmackvollem Licht, die Cocktailbars sowie die Kultur des so genannten Loungens.

Während Berlin zu Beginn der 90er dank der Raves und der illegalen Clubs noch wie ein wildes Versprechen war, haben sich die Verhältnisse nun geordnet. Das führte zu einer gleichförmigen Langeweile, die zunächst durchaus entspannend wirkte. Doch weil es im Nichts des Loungens und des Cocktailschlürfens nichts anderes zu erleben gab als nichts, musste das Nichts schließlich angereichert werden, ohne seinen engen Rahmen zu sprengen. Das Nichts brauchte also: etwas. Das Zauberwort heißt Lounging mit Content.

Der Contentbereich bietet viele Möglichkeiten. So setzt das WMF in seiner Lounge auf „anspruchsvolle Musik“. Der Anspruch besteht darin, dass die Musik einerseits, nämlich bei genauerer Konzentration, komplex klingt, dass man sie aber andererseits, im Falle geringer Aufmerksamkeit, schon binnen kürzester Zeit überhört. So ist sie da und gleichzeitig auch nicht da, sie ist also etwas und nichts zugleich. Ähnlich verhält es sich mit dem Phänomen des Lichtdesigns. Zum einen besteht es auf seiner Existenz, aber zum anderen ist es so dezent und passgenau in die Raumgestaltung eingebaut, dass es kaum auffällt. Würde es einem auffallen, würde man denken, dass es so passgenau und dezent in die Raumgestaltung eingebaut ist, dass sich wohl jemand etwas dabei gedacht haben muss. Es ist also ein ausgetüfteltes Nichts.

Noch ausgetüftelter sind nur noch die Themenabende im Club 103. Seit Wochen bieten die Betreiber nämlich dem Prinzip des Loungens widerstrebende Zerstreuungen wie Billard und Karaoke. Herausgelöst aus dem eigentlichen Kontext, drängt sich das Etwas der Unterhaltungsmaßnahmen derart in den Vordergrund, dass es, dialektisch hochgeschaukelt, bald wieder ins Nichts kippt. In diesem Zusammenhang etwas völlig anderes: Rezzo Schlauch feierte am gestrigen Donnerstag mit einer Party im 90 Grad seinen Geburtstag und legte Gerüchten zufolge äußersten Wert auf die Anwesenheit „junger Leute“. Anderen Gerüchten zufolge handelte es sich bei der Veranstaltung um die Geburtstagsfeier Gerhard Schröders.

Äußersten Wert auf die Anwesenheit von Studenten legt auf jeden Fall das Rive Gauche. Die Tanzhalle, die einmal als ein 90 Grad des Ostens eröffnet wurde, aber vergeblich auf den Besuch der erwarteten Celebrities wartete, geht nun mit Studentenparties in die neue Saison. Wenn Rezzo Schlauch bzw. Gerhard Schröder nun ihren Geburtstag im Rive Gauche gefeiert hätten, wäre es durchaus möglich gewesen, dass gleich zwei Wünsche mit nur einem Mal erfüllt worden wären. Das ist nicht Nichts, das ist das Neue Berlin. HARALD PETERS