Minister kermal dervis

Retter in Nöten

Er war wie ein Retter gefeiert worden, doch sein Nimbus erodiert genauso schnell wie der Wert der türkischen Lira. Kemal Dervis, einer der stellvertretenden Präsidenten der Weltbank, war der letzte Joker, den Ministerpräsident Ecevit nach Ausbruch der Krise im Ärmel hatte. Doch auch der neue Wirtschafts- und Finanzminister konnte keine Wunder vollbringen. Das mehrmals angekündigte neue Wirtschaftsprogramm verzögerte sich, weil jede der drei beteiligten Regierungsparteien mehr eigene Interessen wahren will, statt gemeinsam schmerzhafte Reformen durchzuführen. So musste Dervis ohne präzises Programm versuchen, in der EU und den USA Unterstützung zu mobilisieren. Dies misslang erst einmal. Dervis sitzt nun zwischen allen Stühlen. Einerseits muss er Optimismus ausstrahlen, damit die Leute wieder an die Lira glauben und aufhören, Dollar um jeden Preis zu kaufen. Andererseits muss er düstere Wolken an den Horizont malen, damit die Gewerkschaften stillhalten und nicht auf die Straße gehen. Am Mittwochabend hat Dervis in höchster Not erstmals eine konkrete Zahl genannt, die die Regierung als Wechselkurs anpeilt: Bis Ende des Monats soll der Dollar 1.100.000 Lira kosten. Mindestens am Donnerstag blieb der Dollarkurs daraufhin bei 1.230.000 Lira stehen. JG