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Headbanging mit Schröder

Die Bundestagsfraktion der Grünen lud zur Party ins 90°. Dort konnte man munter spekulieren, warum wer wohl da ist

„Sie stehen leider ohne Begleitung auf der Liste“, sagt der Türsteher zu einem Herrn um die dreißig, wirft der Begleitung einen Blick zu und fragt: „Können Sie sich ausweisen?“ – „Nein“, sagt die Begleitung, „er hat mir verboten, meine Handtasche mitzunehmen.“ Der Türsteher wendet sich wieder dem Herrn zu. So geht es zu vor dem Schöneberger 90°, wenn die Bundestagsfraktion der Grünen einlädt.

Vor zehn Minuten ist der Bundeskanzler gekommen, und der Außenminister sitzt auf der Jacke von jemandem, den man kennt. Überhaupt, jemanden kennen. Berlin ist eine Stadt ohne Entscheider, heißt es ja manchmal, wenn Leute sich Gedanken über Standortvor- und -nachteile machen. Das bezieht sich dann darauf, dass es hier keine wichtigen Industriekonzerne, Großbanken oder Medienkonglomerate gibt. Dafür gibt’s aber seit Neuestem die Bundesregierung. Entscheider haben es gern, wenn ein paar kritische Geister um sie herumwuseln, und da die Regierung noch ganz neu in der Stadt ist und die Informationskanäle, die zu solchen Einladungen führen, noch Zufälligkeiten ausgesetzt sind, wird von allen Seiten munter spekuliert, wer wohl warum hier ist.

Rezzo Schlauch ist der Fraktionschef der Grünen, und mit fester Stimme begrüßt er alle Gäste im Garten des 90°: Die Band sei aus Stuttgart, und sie werde sich dem beherrschenden Thema der vergangenen Monate widmen, den 60ern und 70ern. Eine Rhythm ’n’ Blues-Band. Schröder sitzt in der Ecke und nickt mit dem Kopf. Im Durchgang begegnet man nacheinander Renate Künast, Peter Struck und dem jüngsten Bundestagsabgeordneten. Im Eingangsbereich sitzt Joschka Fischer und macht ernste Miene zum ausgelassenen Spiel. Den Chefredakteur eines großen deutschen Techno-Magazins sieht man sturzbetrunken zu „Smoke On The Water“ headbangen und die Faust in die Luft recken. Auf der Party der Bundestagsfraktion der Grünen.

Der eigentliche Held des Abends war aber Jürgen Trittin. „Ein absoluter Frauentyp“, sagte die Herausgeberin einer linken Kunstzeitschrift und versuchte, ihn zum Tanzen aufzufordern. Zwischendrin stand Rezzo Schlauch und freute sich. Irgendwann schnappte er sich einen jungen Mann Mitte zwanzig und fragte: „Und, alles okay für euch?“ – „Ein bisschen viel Politiker hier.“ – „Ach ja, das ist das Business.“ TOBIAS RAPP

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