Entropie im kosmischen Kapitalismus

Das Setting ist nüchtern, funktional, fremd, und wer sich darin aufhält, will der Leere nicht im Weg stehen. Peter Garfields Fotos und Objekte in der Galerie Kapinos beschreiben das Unbehagen an der „Alien Nation“ und die Auslöschung der Geschichte

von HARALD FRICKE

„The aliens made it“, sagt Arnold Schwarzenegger in „Total Recall“, als er dem Geheimnis der Kuppelkonstruktion auf die Spur kommt, unter der die Stadt auf dem Mars atmen kann. Steiermärkisch ausgesprochen klingt es allerdings mehr wie „deh ehliäns mehd itt“. Sieht trotzdem gut aus, die Kulisse hinter der Science-Fiction-Kulissenstadt.

Auch auf den Fotos von Peter Garfield in der Galerie Kapinos sieht die Welt aus, als wäre sie von Wesen einer anderen Art gemacht. Nicht ganz alienlike und doch nur wenig menschlich. Alles dreht sich um eine Siedlung aus Aluminiumschnellbauten: funktional, nüchtern, kubofuturistisch grau. Ein paar Angestellte in grauen Kitteln finden zwischen den Containern Platz und verlieren sich zugleich auf dem weitflächigen Gelände. Wer Garfields Ausstellung vor zwei Jahren gesehen hat, könnte das Arrangement für eine ironische Umkehr seiner früheren fotografischen Arbeiten halten. Damals flogen explodierende „Mobile Homes“ spektakulär durch die Luft, als Hommage an die heiße Hölle Hollywood. Nun geht der Trend vom Splatter zur Mystery-Serie – wie im Kino, so auch in der Kunst.

Allerdings ist Garfields Interesse an Fantasy eher gering. Für ihn sind die Szenen, die sich auf dem militärisch-technisch anmutenden Areal zutragen, ein Bild für die „Auslöschung von Geschichte“, in Anlehnung an die Architekturensembles in den Gemälden von De Chirico. Seit über einem Jahr hat sich der 1961 geborene Künstler mit Studien über Räume, Bauten und Landschaften beschäftigt, die das Gefühl einer allgemeinen und abstrakt gehaltenen Leere erzeugen sollen. Nebenbei ist ein 20-Minuten-Video entstanden und eben die Serie aus schmalen Fotostreifen, die sich als bis zu vier Meter lange Panoramen über die Wand ziehen. Ein Raum wird besichtigt: imaginär und doch konkret, mehr Dystopie als Utopie.

Das gesamte Setting läuft unter dem Titel „Objects with Potential“. Damit der Betrachter „mehr Raum hat für Assoziationen“, wie Garfield sagt. Widersprüche sind auch willkommen – was sollte in dieser Öde überhaupt Zukunftspotenzial besitzen? Tatsächlich ist jede Betriebsamkeit aus den Bildern verschwunden, die Menschen stehen unnütz im Schatten der Hallen herum. Alle warten, dass was passiert, alle sind in einer schwerelosen Dynamik gefangen – so weit die Fiktion vom Fortschritt durch Wissenschaft. Für Garfield spiegelt sich darin das Verhältnis zur New Economy, die kreative Ressourcen aufbraucht, bis alle Märkte wieder stillestehen. Der Kreislauf endet bei ihm in Entropie, die Leere ist das Sinnbild sich gegenseitig aufhebender Aktivitäten, ein letzter großer, kosmischer Kapitalismus. Und die „Alien Nation“ ist nur ein anderes Wort für Entfremdung.

So viel Unbehagen will natürlich gut inszeniert sein. Deshalb werden die einzelnen Fotos noch einmal nachträglich am Computer geschärft: Der Teerboden bekommt ein malerisches Finish verpasst, die Figurengruppen werden so arrangiert, dass sie der Leere nicht im Weg stehen. Gleichzeitig achtet Garfield bei der Reduktion darauf, die individuellen Züge der Personen auf einen minimalen Nenner zu bringen: Haut und Haar, das muss für die Kenntlichmachung des Lebens im Sog der Globalisierung genügen.

Selbst das Gegenmodell fügt sich in dieses Allover. Es sind zwei formlose Müllhaufen aus Pappmaché, deren Abfall bis zur Unkenntlichkeit zerknetet wurde. Garfield denkt dabei an all die Präsidenten, nach denen in den USA Berge benannt wurden. Man kann die felsenartigen Objekte aber auch als Sitzmöbel benutzen: ein Wohnzimmer für Mad Max, den Engel der Geschichte.

Bis 5. Mai, Di.–Sa. 13–19 Uhr, Galerie Kapinos, Gipsstraße 3, Mitte