„Sie ist kleiner, als man denkt“

So etwas darf nur ein Sir Peter Ustinov über die britische Queen sagen. Und weil der sympathische Werbeträger jetzt schon 80 wird, schenkt ihm Arte einen Themenabend nebst „Rendezvous mit einer Leiche“ und „Lola Montez“ (So., ab 20.45 Uhr)

Was ist es, das diesen Mann komisch macht? Dieser merkwürdig-viereckige Mund, dessen Winkel zwar eigentlich nach unten zeigen, aber dennoch zum Mitlachen auffordern? Die Statur? Die akzentuierte Sprechweise in so gut wie jeder europäischen Sprache, die den darauffolgenden Klamauk (Bellen, Prusten, Murmeln, Summen) umso stärker kontrastiert? Dieser immer leicht genervte Blick?

Dabei scheint er in Wahrheit nie genervt zu sein. Ist eben ein hervorragender Schauspieler, dieser Sir Peter Ustinov. „Wie war das, als die Queen Sie zum Sir machte?“, fragt ein Kind ihn in der Dokumentation zu Ustinovs 80. Geburtstag am 16. April. „Sie ist kleiner, als man denkt“, sagt der weise Weißhaarige, und dass er Angst gehabt habe, dass sie das Schwert beim Ritterschlag nicht von der einen Schulter hochnimmt und auf seine andere legt, sondern einfach von der einen zur anderen durchzieht, ssst, und den Weltenbürger, den Botschafter, den prämierten Schauspieler, Autor, Regisseur und Werbeträger einen Kopf kürzer macht. Denn er wolle noch ganz schön lange weiterleben, sagt Ustinov später, beim Interview in seinem riesigen Haus am Genfer See, das er mit Büchern, Zeitschriften, Oscars und Grammys vollgestopft hat.

Dazwischen thront er mit diesem leicht genervt-amüsierten Blick und erzählt geschliffene Anekdoten aus seinem Leben. Wie sein deutscher Vater, der erst Soldat, dann Journalist war, sich beim Spielen stets recht ungeschickt angestellt habe. Erzählt von seiner Kindheit in London, im Internat. Wie er mit 20 die erste Filmrolle bekam, ein wenig später das erste Drehbuch schrieb, dann, im Krieg, als Untergebener von Oberst David Niven seine künstlerischen Ambitionen hinter Patriotismus verstecken musste, genau wie Niven.

Ustinov ist die gemütliche, trotz Leibesfülle gesundere Variante der berühmten Kerze, die an beiden Enden brennt. Und dabei einfach nicht wegschmilzt, sondern dicker wird. Johanna Schenkel und Werner Biermann haben ihn zu Hause besucht, sind mit ihm auf Tour gegangen, haben eine vom Musikfreund inszenierte Prokofjew-Oper angeschaut und haben mit ihm in der Vergangenheit geschwelgt. In unvergesslichen Rollen wie in „Topkapi“, als Nero in „Quo Vadis“, als Hercule Poirot in den Agatha-Christie-Verfilmungen und so weiter. In den 70ern und 80ern machte er verstärkt Fernsehen, reiste nach Russland, ins Land seiner Ahnen, in den Nahen Osten, um mit Arafat und Rabin über Terrorismus zu plaudern, und als Unicef-Botschafter nach Afrika. Das Porträt ist ein schönes, wohlmeinendes geworden, hin und wieder patschig getextet („Er holte sich eine Frau aus Russland“, sagen die AutorInnen etwas muffig über Ustinovs Vater), hin und wieder fehlt das, was oft bei Geburtstagsporträts fehlt: ironische Distanz.

So hätte man sich durchaus ein paar Fragen zu Ustinovs momentaner medialer Überdosis vorstellen können, warum er plötzlich in mediokren Expo- und Bankwerbespots auftritt: Braucht er etwa Geld? Trotzdem, allein wegen der vielen, bunten und schwarz-weißen, bekannten und raren Filmausschnitte, den Talkshow- und Preisverleihungs-Gags, die Ustinov aus seinem Maßanzug-Ärmel schüttelt wie Fortuna das Glück aus ihrer Schultüte, darum macht einem das Geburtstagsgeschenk für Ustinov natürlich Spaß.

Und wenn man ihn dann noch mit heutigen Schauspielern vergleicht, scheint er einer aussterbenden Spezies anzugehören: ein kultivierter, witzig-sarkastischer, politisch deutlicher, interessierter und begabter Mann von Welt. Aber wer weiß, vielleicht entdeckt auch ein Moritz Bleibtreu irgendwann mal seine Nonchalance. Ist ja noch Zeit. J.Z.

(weitere Hommages an P.U.: Mi., 11. 4., 20.15 Uhr, 3sat, Sa., 14. 4., 22.15, BR)