Die einzige Alternative

Hamburg ist ein vom Springer-Verlag dominierter Zeitungsmarkt. Was kann da die taz Hamburg tun?

von EBERHARD SPOHD

Die Stadt Hamburg schüttet einen Teil des Mühlenberger Loches zu und zerstört so das letzte große Süßwasserwatt Europas. Nur damit auf dem so gewonnenen Neuland Werkshallen errichtet werden können. Der neue Airbus A 380 soll dort gebaut werden, 4.000 Arbeitsplätze werden von dem europäischen Konsortium vage versprochen, ein Naturschutzgebiet einfach so vernichtet. Das Versprechen zieht: Für den Standort Hamburg und dessen Wirtschaftskraft werden alle Argumente des Umweltschutzes in den Wind geschlagen. Eine breite Allianz bildet sich in der Hansestadt. Alle Medien stoßen ins gleiche Horn: Danke für den Riesen-Jet.

Alle Medien? Natürlich nicht alle. Eine kleine Tageszeitung leistet Widerstand. Seit knapp 20 Jahren versucht der Hamburger Lokalteil der taz eine Alternative auf dem vom Springer-Verlag dominierten Zeitungsmarkt der Stadt zu sein, und sieht sich einer bedrohlichen Allianz gegenüber. Die aggressive Bild, die konservative Welt und das betuliche Hamburger Abendblatt bilden ein Meinungs-Konsortium und weichen nur in Nuancen voneinander ab. Offiziell gibt es keine redaktionellen Absprachen, die Springer-Blätter sehen sich als auf dem Markt konkurrierende Tageszeitungen. Eine gewisse Grundhaltung ist allerdings nötig, um bei diesen Journalen zu reüssieren. Dazu kommt noch die boulevardeske Morgenpost. Seit Gruner & Jahr die kleinformatige Zeitung verkauft hat, versucht der neue Verleger Frank Otto, dem großen Vor-Bild immer ähnlicher zu werden.

Einer hundertfachen Übermacht, zumindest was die Auflagenzahlen angeht, steht die Hamburger Lokalredaktion der taz gegenüber. Und während für das Abendblatt rund 160 RedakteurInnen und ebenso viele AnzeigenakquisiteurInnen arbeiten, versucht die taz hamburg das gleiche Feld mit 15 engagierten JournalistInnen und 5 Menschen zu beackern, die sich um Anzeigen bemühen.

Auf den täglichen vier Seiten über das Leben einer Großstadt zu berichten, die politischen Vorgänge, die kulturellen Verwerfungen, die gesellschaftlichen Protuberanzen, die sportlichen Entscheidungen und die gruseligen Polizeiberichte im Auge zu behalten: Das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Das bedeutet einerseits, täglich zu berücksichtigen, was Leser wohl am meisten interessieren könnte. Auf der anderen Seite selbst Schwerpunkte der Berichterstattung setzen. Ist es wie selbstverständlich nötig, die Migrationspolitik des Senats ständig kritisch zu begleiten? Müssen Frauenthemen unter einem bestimmten Blickwinkel behandelt werden? Dürfen wir die dröge, bisweilen ins Absurde changierende Landespolitik humorvoll und satirisch kommentieren?

Die Antwort auf solche Fragen lautet: Ja. Der Lokalteil der taz hamburg hat die einmalige Chance, Themen aufzubringen, die die anderen Medien ganz ignorieren, und Meinungen in die Diskussion zu werfen, die sonst unter den Tisch fielen. Der taz-Redaktion wird von verlegerischer Seite nichts vorgeschrieben. Nur selten eröffnet die Akquise der Redaktion, dass sie wieder einmal einen Anzeigenkunden verprellt habe.

Die Einzigen, die das Recht haben, zu kritisieren, sind die LeserInnen. Und das tun sie ausgiebig in ihren Briefen, wenn ihnen etwas an uns nicht passt. Denn tatsächlich kann die taz hamburg nicht alle wesentlichen Entwicklungen und Entscheidungen in der Hansestadt und in Schleswig-Holstein gleichberechtigt bewerten und einordnen. Bei manchen Phänomenen fehlt auch mal der Redakteur, oft fehlt schlicht der Platz auf den Seiten.

Dann aber gelingt es wieder, zu einem Thema einen eigenen Blickwinkel zu finden. Wenn sich die taz nicht von der Staatlichen Pressestelle hat einlullen lassen. Wenn sie den mitregierenden Grünen Paroli geboten hat. Wenn sie der CDU Denkfehler nachgewiesen hat. Wenn sie sich dafür entschieden hat, Heiner Lauterbach geflissentlich zu ignorieren. Wenn sie nicht nach ein paar Siegen in Folge den HSV als Deutschen Meister feiert.

In dieser unabhängigen Stellung war es der taz hamburg als einziger Zeitung in Hamburg möglich, klar Stellung gegen den Bauwahn im Mühlenberger Loch zu beziehen. Die taz stellte in Frage, ob wohl tatsächlich so viele Arbeitsplätze geschaffen werden wie versprochen. Auch sie hat sich festgelegt auf eine so genannte Blattlinie. Aber es war eine andere als die der anderen Zeitungen. Trotz der ausbaufähigen Auflagenzahl: Wir, die taz hamburg, sind die einzige Alternative auf dem Hamburger Zeitungsmarkt.