mks-impfungen
: Heuchelei vor dem Scheiterhaufen

Das Eisen schmieden, solange es heiß ist – das ist die Strategie von Bärbel Höhn und den anderen Agrarministern, die jetzt eine andere Impfpolitik in der Europäischen Union durchsetzen wollen. Denn nur solange die Maul- und Klauenseuche droht, ist auch der politische Druck da, von der Politik des Nichtimpfens abzurücken. In der Tat wäre es sinnvoller und ethischer, das massenhafte Totschlagen der Tiere nicht zur Maxime einer neuen Agrarpolitik zu erheben. Im Zeitalter der Globalisierung kann man schließlich nicht darauf hoffen, dass ausgerechnet Viren unbeweglich sind und die Seuche freiwillig ausstirbt.

Kommentarvon BERNHARD PÖTTER

Doch die öffentliche Wahrnehmung ist ein anderes Problem. Weil Verbraucherministerin Künast sich an EU-Recht und an die bisher gültigen Beschlüsse aller deutschen Agrarminister hält, wird sie landauf, landab als Anhängerin der Massenkeulung hingestellt. Schon beim Massenschlachtprogramm für Rinder, das ihr Vorgänger beschlossen hatte, um seine eigenen Fehler auszubügeln, stand sie als Renate mit dem Metzgermesser da. Dabei wäre das Geld für die Schlachtungen besser für ihre Agrarwende ausgegeben. Ein Teil der Schuld trifft Künast selbst: Sie hat nicht deutlich genug vermittelt, dass es gute Gründe für Schlachtprogramme gibt.

Doch die Haltung der Länder lässt sich nur mit Panik erklären. Von Nordrhein-Westfalen bis Bayern erwecken sie den Eindruck, man könne mit Impfungen morgen beginnen, wenn man nur wolle und Künast nur ein bisschen Druck in Brüssel machte. Dass im Ministerrat andere Länder aus wirtschaftlichen Erwägungen Nein sagen und dass selbst bei einer Zustimmung der EU die Impfprogramme für die Bekämpfung der aktuellen Seuche wahrscheinlich zu spät kommen, verschweigen sie. Es ist ja auch viel einfacher, nach „Impfungen“ und „Druck in Brüssel“ zu verlangen als die eigenen Versäumnisse aus einem Jahrzehnt Agrarpolitik anzusprechen.

Für Länder wie Bayern ist es natürlich außerdem ein gefundenes Fressen, der neuen grünen Lichtgestalt Fehler und Versäumnisse nachzusagen. Da stört es dann auch nicht, dass man selbst die Position vertreten hat, die man nun angreift. Der Grund für die Heuchelei ist einfach: Sobald erst einmal die Massenkeulungen beginnen oder die Scheiterhaufen mit den getöteten Tieren brennen, will niemand dafür die Verantwortung übernehmen. Da wird ein Sündenbock gebraucht. Oder eben: eine Sündenziege.