Berlin – das Armenhaus der Republik

Der Skandal um die landeseigene Bankgesellschaft hat den finanzschwachen Stadtstaat endgültig zumSanierungsfall gemacht. Schon wird der Ruf nach Bundeshilfen laut – nach dem Vorbild Bremens und des Saarlands

BERLIN taz ■ „Großzügig“: Das ist eines der Attribute, mit denen sich Berlins graue Eminenz Klaus Landowsky immer gerne schmückte – und von den „pingeligen“ Seelen abgrenzte, die es mit dem Geld allzu genau nahmen. Für einen Bankier wie ihn war das eine merkwürdige Berufsauffassung. Die Bankenaufsicht zwang ihn im März mangels Zuverlässigkeit zum Rückzug aus dem Zweitjob. Mangels Zuverlässigkeit, heißt es undementiert.

Auch in der Politik kann der laxe Umgang mit Finanzen fatale Folgen haben. In Berlin kommt beides zusammen. Wegen fehlgeschlagener Immobiliengeschäfte, die Landowsky im Vorstand zu verantworten hatte, macht die landeseigene Bankgesellschaft Verluste. Der Stadtstaat muss nicht nur auf die Dividende und geplante Aktienverkäufe verzichten, sondern auch noch Kapital in Milliardenhöhe nachschießen – und das in einem Jahr, in dem die Schieflage des Haushalts ohnehin bedrohliche Züge angenommen hat.

Auf insgesamt fünf bis sechs Milliarden Mark schätzt der Berliner SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit die Lücke, die im Haushalt des laufenden Jahres klafft. Bis zu 15 Prozent der Ausgaben sind also nicht gedeckt – und das, obwohl sich das Land ohnehin schon jede zehnte Mark bei der Bank borgen wollte. Die Hauptstadt, unter den Bundesländern das Armenhaus der Republik, ist praktisch pleite.

War die Sparpolitik, mit der die streitbare SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing von 1995 bis 1999 die Subventionsmentalität aus alten Westberliner Tagen aufgemischt hatte, also vergebens? Kann sich Berlin aus der Schieflage, die auch durch den plötzlichen Wegfall der Berlinsubventionen nach der Vereinigung entstand, nicht aus eigener Kraft entscheiden? Oder geht es, ganz im Gegenteil, mit dem Sparen jetzt erst richtig los?

Schon fordern die Oppositionsparteien PDS und Grüne, nach dem Vorbild Bremens und des Saarlands Bundeshilfen für den maroden Stadtstaat einzufordern. Schließlich gibt auch Berlin jede vierte Steuermark für Zinsen aus – das war der Maßstab, an dem die Bedürftigkeit der beiden Westländer damals gemessen wurde.

Im Gegenzug müsste Berlin allerdings auch seine Ausgaben auf bundesdeutsches Durchschnittsniveau herunterfahren und auf eine übergroße Polizei oder eine aufgeblähte Verwaltung verzichten. Wer auch immer den Stadtstaat künftig regiert: Gemütlich wird es auch mit Bundeshilfen nicht.

RALPH BOLLMANN