SCHRÖDER DARF BEI PUTIN NICHT DEN HÖFLICHEN DIPLOMATEN GEBEN
: Politik des Geldes

Nichts sollte die hochrangigen Gespräche in den verschiedenen Arbeitsgruppen trüben, die den Petersburger Gipfel zwischen Präsident Putin und Bundeskanzler Schröder begleiten. Die seit Wochen geplante Tagesordnung in der Mediengruppe zum Beispiel sollte sich auf den Kampf gegen die Klischees konzentrieren, die sich vom jeweils anderen Staat in den Medien finden. Diese harmlose Themenwahl war zweifellos ein Zugeständnis an die russische Führung. Die hatte in letzter Zeit gern auf der angeblich einseitigen Darstellung der russischen Verhältnisse in der deutschen Presse herumgehackt. Doch schon am Sonntagabend drohte diese Gipfelregie gestört zu werden, als sechstausend PetersburgerInnen gegen das koordinierte Vorgehen der russischen Staats- und Justizmaschinerie gegen NTW demonstrierten, den einzigen großen unabhängigen Fernsehkanal im Lande.

„Wir schämen uns, dass Putin ein Petersburger ist“, skandierten sie. Denn niemand zweifelt daran, dass Russlands Präsident selbst hinter dem Kampf gegen das allzu kritische NTW-Team steht. Nun wird der Kanzler ihn zur Rede stellen müssen; spätestens hier ist die Höflichkeit der Diplomatie nicht mehr erlaubt.

Eine Abkühlung der Atmosphäre wird nicht zu vermeiden sein – dabei waren bei den Vorgesprächen schöne Erfolge erzielt worden. Es ging um Schulden ehemaliger sowjetischer Außenhandelsorganisationen bei der DDR, über die sich die Bundesregierung und Russland als Rechtsnachfolger einigen müssen. Nun haben sich deutsche Firmen bereit erklärt, einen Teil dieser Schulden zu begleichen, wenn sie dafür Aktien russischer Unternehmen bekommen. Das ganze nennt man debt-equity-swap. Böse Zungen behaupten, die russische Führung sei hier besonders entgegenkommend, weil hohe Beamte in der Putin-Administration mit den sowjetischen Außenhandelsorganisationen in der DDR finanziell verstrickt waren.

Wie dem auch sei, die Bezahlung russischer Staatsschulden ist endlich einmal ein Gebiet, auf dem die egoistischen wirtschaftlichen Interessen der russischen Führung mit den Interessen des von ihr vertretenen Volkes zusammenfallen. Warum also machen wir nicht auf der Basis dieses glücklichen Zusammentreffens weitere Experimente? Schon haben Mitglieder des World Wildlife Fund einen debt-tiger-swap vorgeschlagen: Westliche Regierungen sollten Russland einen Teil seiner Schulden erlassen, das sich dafür verpflichten müsste, bessere Lebensbedingungen für die sibirischen Tiger zu schaffen. Der nächste Schritt wäre ein debt-NTW-swap. BARBARA KERNECK