schnittplatz
: Sex und Schmerz in fünf Sekunden

„Schön, dass du da bist. Du siehst ziemlich gut aus!“ So begrüßte Reinhold Beckmann am späten Montagabend seinen Studiogast Boris Becker. „Wie meinst du das?“, wollte Becker wissen. Beckmann: „Du siehst nicht aus wie ein Sexmonster.“

ARD-Gast Becker, eher erstaunt als erleichtert: „Das liegt an den Maskenbildnern.“ Und an „der Sonne von Florida“. Offenbar hatten Sonne und Sender das Sexmonsterhafte an Becker gerade noch rechtzeitig vor dem TV-„Männergespräch“ am Montagabend weggezaubert.

Am Montagabend? Wie durch Zauberhand erfuhren die Leser der Bild-Zeitung schon am Montagmorgen, was Becker bei Beckmann machen würde: „Boris weint in Talk-Show“ titelte das Vier-Millionen-Blatt. Rechts oben ein Foto aus der Sendung. Boris mit rot geränderten Augen. Links unten noch ein Foto: Boris ganz cool. „Heute, 23.00 Uhr, Beckmann“ stand daneben. In einer Anzeige der ARD.

Cross-Promotion nennt man das. Bild bekommt das Video schon vor der Sendung und darf mit dem Material die Auflage steigern – und dem Sender ordentlich Quote verschaffen. Mit dem Kirch-Sender Sat.1 macht die Kirch-Zeitung Bild den Deal auch ohne Rechnung. Die ARD muss noch was drauflegen, eine Anzeige schalten – und Stoff gleich für zwei Tage liefern. Weil sich Beckmann so spät am Abend in die Wohnzimmer schleimt, konnte Bild gestern noch einmal exklusiv über „Boris’ intimstes Geständnis“ berichten. Für die Leser, die es trotz aller Werbung verpassten.

Die dabei waren, wurden natürlich verarscht. Boris im Heulkrampf? Nur ein kurzer Schniefer, als es um den Tod des Vaters ging, das war’s. „Der Schmerz, die Trauer“ (Bild) dauerte etwa genauso lang wie sein berühmter, folgenreicher Seitensprung mit der Engländerin Angela Ermakova. Becker sah zwar nicht aus wie ein Sexmonster, er redete nur so: „Das war eine Aktion, die dauerte fünf Sekunden.“ Außerdem sei er damals sturzbetrunken gewesen. Na, dann.

Auch bei Beckmann sprach Becker dem Wein zu und faselte wirres Zeug. Von der Presse fühlt er sich „getrieben und gehetzt“, aber „was da alles veröffentlicht wurde, macht auch an, das spüre ich“. Die Frauen seien kaum noch abzuschütteln. Vielleicht ändert sich das nach dieser Sendung. LUKAS WALLRAFF