Blut fließt für Öl am Oberlauf des Nils

Sudans Aufstieg zum Ölexporteur stärkt die Regierung im andauernden Bürgerkrieg. Die Ölmultis spielen mit

NIMULE taz ■ Das Dorf Nimule ist voll von Schutzkellern. Es sind nicht mehr als Löcher in der Erde, umgeben von Sandwällen und überdeckt mit Holz. Diese Keller müssen Schutz bieten gegen die Luftangriffe der sudanesischen Regierung. „In den letzten zwei Jahren hat die Zahl der Bombardierungen stark zugenommen“, erzählt der Lehrer Paul Majake. „Selbst die Kinder verstehen, wie wichtig die Schutzkeller sind. Sie spielen nie darin oder darauf, aus Angst, etwas kaputtzumachen.“

Der Bürgerkrieg im Süden Sudans, wo die überwiegend christliche und afrikanische Bevölkerung gegen die islamistische und arabische Regierung kämpft, hat seit 1983 Millionen Tote und Vertriebene gefordert. Inzwischen spielen Bodenschätze eine immer größere Rolle. Seit 1999 fließt Öl durch eine 1.600 Kilometer lange Pipeline aus der südlichen Provinz Upper Nile nach Port Sudan am Roten Meer. Sudan gewinnt das Öl in Zusammenarbeit mit einem Konsortium von Staatsbetrieben aus Malaysia und China sowie der kanadischen Firma Talisman. In den nächsten zwei Jahren wird eine Verdoppelung der Produktion erwartet.

Die Ölförderung gilt als Ursache für die Zunahme der Luftangriffe – meistens auf zivile Ziele, wie zum Beispiel Nimule, obwohl das Dorf hunderte von Kilometern südlich der Ölquellen liegt. Paul Majak: „Die Regierungsarmee versucht die südsudanesische Rebellenbewegung SPLA hier zu beschäftigen. Durch die Luftangriffe werden die SPLA-Truppen vom Marsch in die Ölgebiete zurückgehalten.“

Die Regierung benutzt den Ölgewinn nicht für die Not leidende Bevölkerung. Sie hat den Militärhaushalt verdoppelt. Militärische Beobachter berichten, dass die Armee heute über hochwertige Technologie verfügt. Die SPLA-Rebellen haben zwar einige Anschläge auf die Ölpipeline verübt, aber die Schäden wurden schnell repariert.

Einwohner der Ölprovinz Upper Nile melden heftige Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Rebellen. Hunderte Zivilisten wurden getötet, tausende sind geflohen. Die Regierung hat internationalen Hilfsorganisationen verboten, in das Gebiet zu reisen. Regierungstruppen versuchen, auch andere Regionen zu entvölkern. Nach Angaben des Ölexperten Peter Verney sind das Gebiete, in denen Firmen wie die italienische Agip, die französisch-belgische Fina/Total, die schwedisch-schweizerische LundinOil und die österreichische OMV Konzessionen besitzen. Mitglied des Verwaltungsrats von Lundin Oil ist Carl Bildt, der ehemahlige schwedische Premierminister. Auf Kritik sagt er: „Ich bin davon überzeugt, dass ausländische Anwesenheit im Ölbereich langfristig Möglichkeiten für Frieden und Entwicklung im Sudan bieten.“

Hilfsorganisationen und Kirchen in Südsudan befürchten, dass der Krieg durch die Ölgewinnung eskaliert. Jahrelang gab es ein militärisches Gleichgewicht zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Die Balance könnte durch das Öleinkommen zugunsten der Regierung verschoben werden. Ein Sieg der Regierungstruppen würde aber keinen Frieden bringen. Die Rebellen würden zur Guerrillataktik wechseln.

Peter Adwok, Mitglied der SPLM, dem politischen Flügel der SPLA, macht sich große Sorgen. Der südsudanesische Geologe und einige andere Experten versuchen, die anderen Bodenschätze im Süden wie Gold, Platin, Chrom und Uran aufzuzeichnen. „Wir bekommen in der nächsten Zeit Zugang zu Satellitenfotos“, sagt er. „Mit diesen Informationen werden wir im Feld Proben machen. Danach müssen wir mit Betrieben in Kontakt treten, die uns helfen können, die Reichtümer an die Oberfläche zu bringen.“

Einfach wird es nicht sein, meint er. Peter Adwok spürt Desinteresse für die anderen Bodenschätze in Südsudan. „Man sagt uns, die Kriegssituation sei zu gefährlich. Aber in anderen Ländern, wie der Demokratische Republik Kongo und Angola, werden Diamanten und Gold gewonnen, trotz der Kriege dort. Warum unternimmt die internationale Gemeinschaft in vielen Ländern seriöse Vermittlungsversuche, aber nicht bei uns? Ich habe den Eindruck, dass man kein größeres Angebot von Gold, Platin, Chrom und Uran will.“

Adwok ist nicht der einzige, der solche Theorien entwickelt. In Südsudan fragen sich viele, warum der Norden Hilfe bekommt, um Öl zu fördern, aber die Menschen im Süden keine Unterstützung bekommen, um überhaupt Einkommen zu erzeugen. ILONA EVELEENS