In Karagöz' Garten

■ Lagerhaus feiert mit Kinder-Theaterwoche

Karagöz ist ein Geizkopf und weiß nicht, was er mit seinen vielen Äpfeln alleine anfangen soll. „Sag mir, wieviel Äpfel kannst du an einem Tag essen?“ erkundigt sich Hacivat. „Hundert!“ behauptet Karagöz, und man ahnt bereits, dass das junge Theaterpublikum im Alter zwischen 5 und 8 Jahren ebenso skeptisch reagieren wird wie Hacivat auf der Bühne.

Hacivat und Karagöz sind die Hauptfiguren aus „Der Garten von Karagöz – Karagöz'un Bahcesi“, einem Kindertheater-Stück, das Ende April in verschiedenen Bremer Grundschulen aufgeführt wird. Und wie die Namen der Protagonisten bereits verraten, handelt es sich um eine kulturelle Besonderheit, bei der türkischsprachige Kinder im Vorteil sind. Neben den deutschsprachigen Dialogen werden immer wieder kurze, musikalische Sequenzen auf türkisch eingeflochten. Da sie die Handlung lediglich ergänzen, müssen die deutschen Kinder nicht unbedingt nur Bahnhof verstehen.

Extra aus Berlin-Kreuzberg wurde die Theatergruppe Tiyatrom eingeflogen, die den babylonischen Sprachmix zu verantworten hat. Seit 17 Jahren gibt es die interkulturelle Theatergruppe. Entstanden sind etwa 65 Produktionen, zum Teil auf türkisch, zum Teil zweisprachig. Was dabei auf der Bühne passiert, verbindet sich mit einer gesellschaftlichen Wunschvorstellung: Die Möglichkeit eines kulturellen Miteinanders wird dem Publikum geradezu vor-gespielt.

Doch nicht nur das, wie Sigrid Schubart vom Migrationsbüro des Kulturzentrums Lagerhaus erklärt. Das Lagerhaus lädt die erfolgreichen Schauspieler bereits zum vierten Mal nach Bremen ein: „Das Theater richtet sich vor allem auch an die Kinder, die hauptsächlich türkisch sprechen.“ Mit dem Geld der türkischen Steuerzahler wird in der Regel nur deutschsprachiges Theater gefördert.

„Der Garten von Karagöz“ erzählt von einem Problem, das über die kulturellen Grenzen hinauswächst. Die Geschichte könnte also ebensogut in Bremen spielen, am ehesten in Stadtteilen, wo der Rasen noch mit der Nagelschere geschnitten wird. Herr Karagöz, Besitzer eines schönen Gartens mit Apfelbäumen, sieht sich von kleinen Äpfeldieben terrorisiert, die bei Gelegenheit mit ihren heimtückischen Aktionen seinen Besitz mindern. Hacavit, der im türkischen Theater die Stimme des einfachen Volkes vertritt, möchte seinem Freund die Vorteile des Teilens schmackhaft machen. Doch, wie könnte es anders sein, Herr Karagöz ist weit davon entfernt, sich auf die marxistischen Ansichten seines Gegenübers einzulassen. Es kommt zu Missverständnissen, Wortverdrehungen und Absurditäten. Die Schauspieler sind glücklich, wenn die Steppkes im Publikum an dieser Stelle kreischen: Sind die doof!

Die wenigsten wissen indes, dass die Theaterfiguren Karagöz und Hacavit über 600 Jahre alt sind. Unter den Osmanen galten sie mit ihren volkstümlichen Dialogen gar als subversive Elemente, so dass es zu Zensur und Verbot kam. In der aktuellen Fassung des Stückes „Der Garten von Karagöz“ handelt Hacavit schließlich den unglaublichen Apfelkonsum seines Freundes auf einen pro Tag herunter, um triumphierend anzudeuten, dass dann ja noch genügend Äpfel übrig blieben. Was macht Karagöz also mit dem Rest? „Ich hebe sie auf und esse sie nächstes Jahr“, und wieder dürfen die Knirpse kreischen.

Ina Stelljes