Die schnelle Mark mit Kindesmissbrauch

■ Dubiose Geschäfte: Dass das Call-Center Michaela Rabe den frisch gegründeten Verein „Janus – gegen Kindesmissbrauch“ aus reiner Hilfsbereitschaft unterstützt, darf bezweifelt werden

Kaum gegründet, steht der neue Bremer Verein „Janus e.V. – aktiv gegen Kindesmissbrauch“, auch schon im Zwielicht. Und das nicht nur, weil er sich im Internet irreführend als gemeinnützig ausgibt oder weil die erste Vorsitzende, die Bremer Rechtsanwältin Marina Feider, Vereinskontakte zu Kripo und Opferschutzorganisationen angibt, die diese nicht bestätigen können. In der Pressestelle der Bremer Polizei heißt es beispielsweise: „Mit dem Verein Janus e.V. arbeiten wir nicht zusammen.“ Auch im Münchener Dezernat 12 für Sexualdelikte, zu dem die Anwältin Kontakte wegen der Vereinstätigkeit „Internetrecherche gegen Kinderpornographie“ haben will, hat den Vereinsnamen Janus noch niemand gehört. „Wir arbeiten nicht mit Vereinen zusammen. Wir ermitteln in Strafsachen“, heißt es dort. Ebensowenig kennt man Janus bei der Bremer Opfer-Hilfeeinrichtung „Weißer Ring“. Persönlich vorstellig wurde Feider dort wegen ihrer Tätigkeit für den im vergangenen September gegründeten Verein Janus nie. Ebensowenig bei den erfahrenen Hilfsorganisationen wie Schattenriss oder Kinderschutz-Zentrum. Dort hat man dennoch von Janus e.V. gehört: „Bei uns haben Leute angerufen und sich erkundigt, weil sie sich durch aggressives Spendenwerben belästigt gefühlt haben.“

Diese Klagen haben einen Grund, der das weitere Misstrauen in die Seriosität des Vereins und seines „Sponsors“ begründet. Er beruht auf einer – juristisch zulässigen – Konstruktion zwischen dem Verein, der für den guten Zweck arbeiten soll, und simpler Geschäftemacherei durch das Call-Center.

Der Trick funktioniert so: Das Bremer Call-Center Michaela Rabe verpflichtet sich, dem Verein Janus mit monatlich 10.000 Mark unter die Arme zu greifen. Dafür erwirbt das Call-Center Rechte, die sich in bare Münze verwandeln lassen. Voraussetzung: Die Call-Center AkquisiteurInnen schaffen es, billige Produkte zum teuren Preis unter die Leute zu bringen. Kugelschreiber und Briefumschläge beispielsweise. Was im Großhandel für 23 Mark 95 zu haben ist – 500 Umschläge und 50 Kugelschreiber etwa –, wird durchs Call-Center für 198 Mark achtfach teurer verkauft. Dafür tragen die Produkte den Aufdruck: „Aktiv gegen Kindesmiss-brauch, Janus e.V.“ und: „Der Absender dieses Briefes hat uns unterstützt. Wir sagen Danke!“

Call-Center und Vereinsvorsitzende Feider loben die Zusammenarbeit. Ein solcher „Lizenzvertrag“ sei „ganz üblich“. „Auch Green-peace macht das so“, sagt der gemeinsame Pressesprecher von Call-Center und Verein. Wieder falsch – und wieder wurde der gute Name Dritter so eingesetzt, dass er aufs eigene Image abfärben kann. Vergeblich. So sagt der Werbechef von Greenpeace in Hamburg, Gerhard Wallmeyer: „Wir machen gar kein Merchandising über Call-Center.“ Mal abgesehen davon, dass die Umweltschutzorganisation Greenpeace sich ihren guten Namen schon lange gemacht hatte, bevor sie zum „Merchandising“ schritt – zum ideell überhöhten Verkaufspreis für Produkte, die zum Image passen.

Bei Janus e.V. verhält sich das ein wenig anders. Als der Verein im September letzten Jahres gegründet wurde, war eines seiner Gründungsmitglieder die Call-Center-Inhaberin Michaela Rabe selbst. „Es wurde noch ein, wie soll ich sagen, siebter Mann für die Vereinsgründung gesucht“, erklärt sie freimütig. Seit Dutroux sei sie besorgt über Kindesmissbrauch – und darüber, dass niemand etwas für die Opfer tue. „Naja, es gibt ein paar Vereine.“ Aber nicht mit einer kos-tenlosen Telefonhotline – und eben auch nicht mit einer solch engagierten Förderfrau wie sie selbst. Sie habe schon viel Geld in den Verein gesteckt, der zurzeit eine Teilzeitstelle für eine/n Sozialpädagogin oder eine/n Psychologen/in ausgeschrieben hat. Weswegen ein ungestörtes Telefonat mit der Angestellten Sozialpädagogin des Vereins auch kaum möglich ist. Ständig schrillt die andere Leitung – ein zumindest ungewöhnliches Ambiente für ein „Beratungstelefon“. Noch ungewöhnlicher allerdings ist sein Umfeld.

Bisher firmiert „Janus e.V.“ nur als aufgeklebtes Pappschild am Firmensitz des Call-Centers Michaela Rabe in Osterfeuerberg. Schon drinnen, im ersten Stock, findet sich kein Hinweis mehr. Der „eigene Eingang zur Räumlichkeit des Vereins“, von dem Michaela Rabe spricht, bleibt Ortsunkundigen verborgen. „Aber das wird alles anders“, versichert Sponsorin Rabe. Der Verein ziehe zum 1. Mai nach Bremen-Nord. Zugleich dementiert Rabe die Beobachtungen von Insidern, wonach die Sozialpädagogin des Vereins Janus durchaus auch am Empfang des Call-Centers sitzt, wenn dort Arbeit anfällt. Doch nicht nur das räumliche Umfeld des Vereins ist fragwürdig – sondern auch das personelle.

So tritt im Haus Rabe weniger die Inhaberin als Kopf der Firma auf, sondern vielmehr ihr Ehemann. Gegen ihn wurde kürzlich beim Bremer Landgericht Anklage erhoben. Vorwurf: Betrug. Der Mann soll – noch unter seinem Geburtsnamen – unseriöse Telefongeschäfte betrieben haben. Per Anzeige wurden Personen gesucht, die Produkte testen wollten, Computer etwa. Wer auf die Anzeige reagierte und zum Telefon griff, zahlte saftige 3 Mark 60 pro Minute dafür, dass er als Interessent in die Adressenliste aufgenommen wurde und jemand über die vermeintlichen Probeprodukte Auskunft gab. Für die jedoch soll es nicht einmal Vereinbarungen mit entsprechenden Firmen gegeben haben, so der Vorwurf. Derweil läuft in Oldenburg ein Revisionsverfahren, nachdem der Mann mit Warentermingeschäften gescheitert war und ihn ein Oldenburger Gericht dafür verurteilte. Hierbei allerdings vertritt ihn nicht mehr seine bisherige Anwältin, Marina Feider, die jetzt als Erste Vorsitzende für Janus e.V. auftritt.

Die Erste Vorsitzende übrigens ist – noch so eine kleine Ungereimtheit – nicht ganz im Bilde über die vertragliche Regelung zwischen Call-Center und Verein. Befragt zu den Einnahmen aus den überteuerten Verkäufen im Namen des Vereins sagt sie: „Das geht alles als Spenden an uns“. Sponsorin Rabe dementiert: Sie zeige mit den monatlichen Zahlungen von 10.000 Mark viel Engagement. Erst wenn das Call-Center sehr gut laufe, werde sie mehr zahlen. Aber auch dann nicht anteilig vom Umsatz. „Ich würde lieber den regelmäßigen Betrag erhöhen“, sagt sie. Fachkundige errechnen derweil, dass die rund 15 Personen im Call-Center, die „Janus-Produkte“ an Gutgläubige verhökern, 12.000 Mark Umsatz am Tag machen.

KundInnen, die geworben werden, werden darüber im Unklaren gelassen. Gemäß den internen „Argumentationshilfen“ bei der Verkaufsakquise im Call-Center, die der taz vorliegen, soll ihnen unter Hinweis auf die „Gut-Will-Aktion“ stattdessen vorgespielt werden, es gebe doch eine prozentuale Beteiligung, denn die Anweisung lautet: „Einen Prozentsatz kann ich ihnen nicht sagen, da wir ja nicht wissen, wie viele Kunden sich beteiligen.“

ede