faulheit, moral und würde von CAROLA RÖNNEBURG
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„Jetzt geht’s los“, titelte diese kleine Zeitung einst, als SPD und Grüne die Bundestagswahlen gewonnen hatten. Sie sollte Recht behalten: und wie es losgeht, vor allem nach hinten.

Seitdem der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Satz „Es gibt kein Recht auf Faulheit in dieser Gesellschaft“ in die Welt gestellt hat, reagieren alle wie gewünscht: Innerhalb der SPD bleibt man auf Linie; Reinhard Höppner, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, warnt gar vor „Fehlinterpretationen“ der Attacke des Bundeskanzlers auf Arbeitslose.

Der DGB protestiert reflexartig, lässt aber gleichzeitig wissen, dass sie eine Politik, die Arbeitslose wie den letzten Dreck behandelt, auch weiterhin unterstützen wird: Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer jedenfalls erklärte, viele Arbeitslose seien sehr wohl bereit, weniger gut bezahlte Jobs anzunehmen und dafür auch an weit entfernte Arbeitsorte zu reisen.

Am widerwärtigsten aber benehmen sich erwartungsgemäß die Grünen. Langzeitarbeitslose empfänden ohnehin schon Scham und Schande, unterstellte die Vorsitzende Claudia Roth und sprach so den Stützeempfängern auch noch den letzten Rest von Würde ab.

Ebenso wunschgemäß flankiert die Presse das, was inzwischen Debatte genannt wird, obwohl niemand ernsthaft widerspricht. „Ein Streit über Arbeitslose, die nicht arbeiten wollen, ist entbrannt“, höppnert etwa die Zeit und schildert die skandalöse „Wirklichkeit in Rheinhausen“: Dort gibt es Arbeitslose, die keine Fenster putzen und auch nicht 13 Mark brutto pro Stunde verdienen wollen. Die Botschaft ist klar: Liebe Arbeitslose, wir können und wollen nichts für euch tun.

Dabei wird es aber nicht bleiben. In Zukunft wird es nicht nur darum gehen, ob die Grenze der Zumutbarkeit weiter nach unten verschoben werden darf, wenn es gilt, Arbeitslose in schlecht bezahlte Jobs zu zwingen. Auch wer jetzt noch in Lohn und Brot steht, darf sich auf einiges gefasst machen. Einem Interview mit dem mecklenburg-vorpommerschen Ministerpräsidenten Harald Ringstorff in der Berliner Zeitung konnte man jetzt entnehmen, worauf: „Man darf nicht nur an die Arbeitslosen denken“, sagte Sozialdemokrat Ringstorff hier. „Wenn Leute ohne Arbeit mindestens so gut durchs Leben kommen wie jemand, der jeden Morgen um fünf oder halb sechs aufsteht und manchmal weite Wege zu seinem Job zurücklegen muss, beeinträchtigt das auch die Moral der Arbeitenden.“ Es sei außerordentlich schwer, zum Beispiel Stellen in Hotels, in der Gemüseproduktion oder der lebensmittelverarbeitenden Industrie zu besetzen.

Das heißt: Liebe Arbeitnehmer, zwei Stunden Fahrtzeit zur Arbeit mögen euch jetzt noch zu weit erscheinen, und wahrscheinlich würdet ihr eure Kinder auch weiterhin wenigstens beim Frühstück sehen. Das aber war einmal. Miese Bezahlung und stumpfsinnige Tätigkeiten sind nichts, worüber man sich beschweren darf. Falls ihr andere Vorstellungen vom Leben hattet, vergesst sie schnell. Denn wer nicht spurt, landet in der Gosse. Jetzt geht’s los.