Süßer die Glocken nie klingen

Konfirmation, Jugendweihe, Maiglockenfest – in Deutschland tobt der Kampf der Feste

Das hatte gerade nicht gefehlt: Ein „Maiglockenfest“. Warum? Weil das Maiglockenfest, ganz im Gegensatz zu seinem harmlos klingenden Namen, ein übles Antifest, ja ein Killerfest ist, das andere angestammte Feste von ihrem Platz verdrängen will. In Deutschland tobt zur Zeit, noch unbemerkt von der Öffentlichkeit, ein unbarmherziger Kampf der Feste, ein Kampf ums Dasein, und nur das fitteste Fest wird überleben. Die anderen werden sterben oder auf die Galapagosinseln auswandern müssen.

Bisher, das heißt seit über 150 Jahren, teilen sich Konfirmation, Jugendfeier und Jugendweihe die zum Durchstarten ins Erwachsenenleben angetretenen Jugendlichen friedlich unter sich auf. Geboten wird ein mal mehr geistlicher, mal mehr weltlicher Ringelpiez, es gibt mäßig unterhaltsame Riten und Rituale, und am Ende steht in der Regel, egal ob die reformatorische, die freidenkerische oder die atheistische Prozedur absolviert worden ist, der totale Suff. Das Tierreich kennt dergleichen nicht, das hat der Mensch sich ausgedacht.

Das Anfang dieses Jahres initiierte Unternehmen „Maiglockenfest“ will nun eine „Alternative“ zu Konfirmation, Jugendfeier und Jugendweihe offerieren. Wer denkt, die Alternative zu diesem Initiations-Hokuspokus könnte nur in einem Verzicht, einer Art Komplett-Nihilierung des obskuren Brauchtums bestehen, irrt. Bürgerrechtler aus der ehemaligen DDR, die den Verein „Maiglocke“ gegründet haben, wollen nämlich exakt das gleiche wie die Konkurrenzfeste anbieten, nur unter einem anderen Namen. Angepeilt sei, so die Vereinsgründer Günter Nooke (CDU), Richard Schröder (SPD), Werner Schulz (Grüne) und Ernst-Ulrich von Weizsäcker (SPD), eine „bürgerliche Feier“ mit christlichem Bezug. Damit will das „Maiglockenfest“ explizit der Jugendweihe Konkurrenz machen und deren Monopol im Osten brechen, wo noch immer 99,6 Prozent aller Jugendlichen die Konfirmation verweigert.

Was die Bürgerrechtler an der Jugendweihe stört, ist neben ihrer staatstragenden Rolle zu DDR-Zeiten, von der inzwischen nichts geblieben ist, ein angeblich nach wie vor virulenter Antikapitalismus. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Antikapitalistisch sind Kirchentage. Die Jugendweihen des „Humanistischen Verbands“ und die Jugendfeiern verschiedener Anbieter bieten lediglich eine Dienstleistung, die ostdeutschen Familien das Zelebrieren ausgedehnter Gelage über alle Generationsgrenzen hinweg erlaubt. Es gibt Tuchfärbekurse oder Spreepark-Ausflüge, und Bertelsmann liefert Bücher über unseren Planeten, die kein Mensch je liest.

Tja, und was bieten die Maiglockenfreunde an, die in diesem Jahr nur hier und da probehalber, ab 2002 aber „flächendeckend“ (Nooke) vorgehen wollen? Das Gleiche, nur noch etwas gleicher. Dafür erwartet Günter Nooke „Großspenden“ von Banken, Industrie und Wirtschaft. Ob damit aber der Krieg gegen die omnipräsente Jugendweihe gewonnen werden kann, ist zweifelhaft. Nooke sollte vielleicht den Einsatz von Nato-Streitkräften im Beitrittsgebiet und am besten „flächendeckende“ Bombardements fordern, um sicherzugehen, im nächsten Jahr sein Protektorat „Maiglocke“ errichten zu können.

Massiven Widerstand dagegen hat, wie nicht anders zu erwarten, die PDS angekündigt. Im Berliner Karl-Liebknecht-Haus wird seit einigen Wochen eine Gegeninitiative vorbereitet, die den Namen „Oktoberglockenfest“ tragen soll. Es sei nicht einzusehen, heißt es in einer Pressemitteilung des Parteivorstands, dass es nur einen Eintritt ins Erwachsenenleben geben soll, jedoch keinen Ausgang. Gerade ältere Bürger hätten ein Anrecht darauf, „in würdiger Form“ aus dem Kreis der Erwachsenen zu scheiden. Im übrigen wolle man auch jungen Leuten, die im Frühjahr per „Maiglockenfest“ ins Erwachsenenleben befördert wurden, die Chance gegen, sich im Herbst wieder davon zu verabschieden. RAYK WIELAND