: Atomzug am Ziel
Proteste gegen den Müllzug nach La Hague auch in Frankreich. Greenpeace überrascht von relativ großer Resonanz. Gewerkschaften pro Atom
aus Paris Dorothea Hahn
„La Hague – die Mülltonne läuft über“, steht auf dem Transparent, unter dem gestern Vormittag 50 Leute im Bahnhof der normannischen Kleinstadt Caen den Castor-Transport aus Deutschland erwarteten. Als der Zug einlief, konzentrierte sich die Polizei auf diese DemonstrantInnen. Derweil gelang es außerhalb des Bahnhofs mehreren GreenpeaclerInnen, sich auf den Schienen anzuketten. Mit dieser erprobten Technik hielten sie den Transport in Richtung Wiederaufbereitungsanlage La Hague eine knappe Stunde auf.
Es war eine Fahrt mit Hindernissen, die der Zug voller Müll aus den deutschen AKWs Philippsburg, Grafenrheinfeld und Biblis in der Nacht zu gestern durch Frankreich absolvierte. Selbst der Greenpeace-Atombeauftragte Frédéric Merillier war von der relativen Stärke der Mobilisierung überrascht. „Die Proteste in Gorleben haben gezeigt, dass man etwas tun kann“, sagte er zur taz.
Wie schon beim Castor-Transport in umgekehrter Richtung vor zwei Wochen hatte die französische Anti-AKW-Gruppe „Sortir du Nucléaire“ (www.sortirdunucleaire.org) den „Fahrplan“ des Atomtransportes – Durchgangsbahnhöfe und Uhrzeiten inklusive – vorab veröffentlicht. Die Eisenbahnergewerkschaft „SUD-Rail“, die seit zwei Wochen gegen die Privatisierung der SNCF streikt, hatte daran mitgewirkt. „SUD-Rail“ zeigte sich empört, dass die Bahndirektion den Atomtransport trotz Streik garantierte.
Der Atomtransport führte durch zwei großstädtische Räume: der Außenrand von Straßburg und vor allem die dicht besiedelten östlichen und nördlichen Vorstädte von Paris.
Während die französische Atomgesellschaft Cogema, die den Atommüll wiederaufbereiten wird, bestritt, dass es sich um eine außergewöhnliche Transportstrecke handelte, verlautete aus SNCF-Quellen, der Transport sei umgelegt worden. Grund dafür seien Überschwemmungen an der Somme, wo viele Gleise unter Wasser liegen, und der Streik der EisenbahnerInnen, der auch einige Abschnitte der üblichen Transportstrecke betreffe.
Die ersten DemonstrantInnen erwarteten den Zug am späten Dienstagabend gleich hinter der deutsch-französischen Grenze. Im elsässischen Bischheim etwa erklärte der Bürgermeister, er wolle zumindest offiziell über den Gefahrentransport durch seine Gemeinde informiert werden. Nach den Plänen der deutschen und französischen Regierung sollen die Atomtransporte noch jahrelang weitergehen.
Die nächsten Proteststationen mit jeweils mehreren dutzend TeilnehmerInnen fanden tief in der Nacht im Großraum Paris in den Départements Seine-et-Marne und Val-d’Oise statt: In Bondy standen DemonstrantInnen an den Gleisen, in Noisy-le-Sec hatten sie sich darauf gesetzt, und in Conflans-Sainte-Honorine hatten sie kleine Barrikaden gebaut und ein Feuer entzündet.
Als hätte es eine entsprechende Anordnung gegeben, stellte die auch längs der französischen Zugstrecke stark vertretene Polizei zwar die Personalien der BlockiererInnen, doch nahm sie keine Menschen fest.
Bei der Ankunft im Zielbahnhof Valognes bei La Hague hatte der Atomtransport gestern drei Stunden Verspätung. Schon am Morgen hatten sich dort mehr als 200 AtomarbeiterInnen vor dem Bahnhof versammelt, um etwaige Proteste von Anti-AKWlerInnen zu verhindern. Zu der Pro-Atom-Demonstration hatten sämtliche Gewerkschaften der WAA – von der CGT über die CFDT bis hin zur FO – aufgerufen.
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