„Gegen künftige Kriege demonstrieren“

Tobias Pflüger, Mitorganisator des Bensheimer Ostermarsches, über die Aktualität der Friedensbewegung

taz: Wie kann die Friedensbewegung junge Menschen noch auf die Ostermärsche locken, wenn selbst die Grünen Einsätzen wie im Kosovo zustimmen?

Tobias Pflüger: Die Umfragen nach der Bombardierung des Irak zeigen, dass die Jüngeren eine solche Kriegspolitik ablehnen: Fast 65 Prozent der Befragten waren gegen dieses Bombardement, von den Jugendlichen sogar 80 Prozent.

Trotzdem war in den letzten Jahren die Beteiligung an den Ostermärschen eher mau.

Die Jugendlichen wollen Aktionen. Wenn mehr los ist, sind die auch da. Im Moment liegt aber mehr Hintergrundarbeit an, etwa die Auseinandersetzung mit der Nato-Strategie.

Haben die Menschen noch Angst vor Krieg?

Die aktuelle Bedrohung ist weniger greifbar als damals bei den Pershing-Raketen, die ja genau Mitteleuropa verwüstet hätten. Wir demonstrieren jetzt gegen zukünftige Kriege ...

... die nicht hier stattfinden. Ist den Leuten der Krieg egal, wenn er nur weit genug weg ist?

Bedauerlicherweise haben schon im Jugoslawienkrieg viele so getan, als ob das mit ihnen nichts zu tun hätte. Dabei spielt Deutschland eine entscheidende Rolle: Die Nato wird zu einem Interventionsbündnis gemacht, und die Bundeswehr ist wesentlicher Teil der künftigen EU-Eingreiftruppe. Sie stellt 18.000 von 60.000 Soldaten und den Kommandeur, sodass man sagen kann, es bildet sich eine EU-Truppe unter deutscher Führung heraus.

Kann ein solcher Verband nicht wertvoll sein, wenn wieder irgendwo eine humanitäre Katastrophe eintritt?

Das ist die berühmte Frage: Da heißt es dann immer, jetzt muss man ja. Es hat sich aber im Kosovo-Krieg gezeigt, dass die Bombardierung die Situation nur verschärft hat. Militär schafft keinen Frieden, die Lage in Makedonien zeigt das.

Es wäre also besser gewesen, wenn kein Nato-Soldat eingegriffen hätte?

Deutlich besser als das, was wir im Moment haben.

Sind solche pazifistischen Positionen mehrheitsfähig?

Die Bevölkerung ist nicht kriegsfreudig. Und es gibt keinen Konsens, dass die Bundeswehr kriegsführungsfähig werden soll. Es sind zwar viele irgendwie für Verteidigung. Aber es geht ja nicht mehr um Territorialverteidigung, wie sie im Grundgesetz festgeschrieben ist, sondern um „Verteidigung“ wirtschaftlicher und geopolitischer Interessen. Im Moment wird die Bundeswehr in Strategie, Struktur und Bewaffnung auf künftige Kriege vorbereitet. Das ist zentrales Thema der Friedensbewegung: Kriege verhindern, Einsatzkräfte auflösen – also erst mal den Teil des Militärs, der gefährlich ist.

INTERVIEW: RALPH WILDNER