Bewegungen in Pixel aufgelöst

■ Jan Puschs Choreographie „Into the Blue – Dance solo for a single body“ auf Kampnagel

Der Mann auf der Bühne kehrt dem Publikum seinen durchtrainierten Rücken zu. Er verschiebt die Schulterblätter, dreht den Kopf in den Nacken, setzt einen energischen Beinschwung aus der Hüfte an. Exakt platziert er seine Glieder, wirft sich auf den Boden, als wolle er seinen Schatten einfangen, den einzigen Partner, den er in der Leere des aseptisch weißen Raumes hat. Auf einmal kreuzen phosphoriszierende Linien seinen Weg, rastern förmlich die Bewegung, greifen plastisch in die Choreografie ein.

Irgendwann sind es dann flimmernde Lichtpunkte, die seine Haut befallen und in einer bunten Pixelflut die Konturen seines Körpers hinwegspülen. Schnitt. Ende des ersten Teils.

Insgesamt sind es drei Teile, in denen der Hamburger Choreograf Jan Pusch die Kommunikation im digitalen Zeitalter untersucht. Die Strenge der Anordnung von Into the Blue, das auf Kampnagel Premiere hatte, erinnert an ein Laborexperiment. Drei Soli für die Tänzer Detlev Alexander, Fiona Gordon, Mata Sakka, in denen es Pusch gelingt, vielschichtige Ebenen eines Dialogs – des Tanzes mit dem Raum, des Tänzers mit sich selbst und mit dem Publikum – herauszuschälen. Gefangen wie ein schöner, bunter Vogel dreht sich Mata Sakka im Gazekäfig. Finger und Hände tanzen im beredten Gestenspiel, während sie sich mit der Stimme aus dem Off über das Selbstsein im eigenen Körper unterhält und hilflos versucht, den Zuschauern durch den trennenden Stoff hindurch die Praktiken der Amerikaner beim Begrüßungskuss zu erläutern.

So verschieden die kreierten Räume sind, so sehr unterscheiden sich auch die Tänzer. Alexander ist von athletisch expressiver Körperlichkeit, Sakka dagegen eine feinsinnige Performerin, die vor allem in Gestik und Mimik erzählt. Die dynamisch emotionale Fiona Gordon hat zwar als verschrobene, mit gesenktem Blick auf dem Boden herumrutschende Figur, die undankbarste Rolle. Doch spürt man die langjährige Zusammenarbeit mit dem Choreografen. Konsequent hat Pusch mit ihr ein Motiv verfolgt und nicht, wie bei den beiden anderen, Fäden aufgenommen und gleich wieder abgerissen, um in altbekannte Tanzmuster zurückzufallen. Während Gordon zwanghaft die Glieder zurechtrückt und sich ihre innere Welt mehr und mehr zusammenzieht, verdreifacht sich der äußere Raum, flitzt das Abbild der Tänzerin wie eine kafkaeske Erscheinung am Tapetenmuster entlang. Die Videokünstler Torge Möller und Momme Hinrichs zaubern so einiges aus ihrer Trickkiste. Von Komposition und Rhythmus, vor allem aber von der Durchdringung des Mediums Tanz verstehen sie (bislang) wenig. Innovative Ideen, in denen innere Welten virtuelle Realität werden, lassen auch hier Konsequenz vermissen. Doch für Jan Pusch war es der erste, recht viel versprechende Versuch, mit Video zu arbeiten. Beat Halberschmidt hat dazu wundervolle digitale Sounds gebastelt. Dann und wann hört man das Knarzen von Schallplatten wie eine Botschaft aus einer anderen Zeit.

Irmela Kästner

Weitere Vorstellungen: 14., 15. sowie 18. - 21. 4., 20 Uhr, Kampnagel, k1