„Das Publikum zurück ins Kino bringen“

Der Regisseur Johnnie To gilt derzeit als kreativster aller Autorenfilmer in Hongkong. Gerade ist sein Triaden- und Liebesfilm „Where A Good Man Goes“ im Kino angelaufen. Ein Gespräch über Studio und Investoren, das Mainstream-Kino und den Traum von der künstlerischen Unabhängigkeit

Interview ANDREAS BUSCHE

taz: Mr. To, Ihr neuer Film „Help“, den Sie auf der diesjährigen Berlinale präsentiert haben, unterscheidet sich sehr von Ihrer Gangster-Trilogie aus dem Jahr 1999, die in Deutschland mit „Where A Good Man Goes“ abgeschlossen wird. Diese Gangsterfilme sind extrem zurückgenommene stilisierte Charakterstudien. „Help“ ist dagegen eine schrille Slapstick-Komödie mit Showdown . . .

Johnnie To: Mein Partner Wai Ka-Fai und ich haben 1996 die Produktionsfirma Milkyway mit der Absicht gegründet, Filme zu realisieren, die das Publikum überraschen. Die Produktionen in Hongkong sind heute allesamt sehr berechenbar geworden, da wollten wir mit Milkyway einen Gegenpol bieten. Unsere Firmenpolitik lautet also ganz schlicht „Expect the unexpected“.

Sie arbeiten bei Ihren eigenen Filmen mit einem festen Stamm von Leuten, vom Kameramann bis zum Komponisten. Entspricht dieses Teamwork Ihrer Vision des Autorenkinos?

Ich sage es mal so: Die Tatsache, dass wir uns inzwischen so gut kennen, erleichtert unsere Zusammenarbeit sehr. Meine Mitarbeiter verstehen meine Haltung, sie wissen, was ich mag und was ich will. Ich hoffe, dass diese Handschrift in meinen Filmen auch sichtbar wird.

Sieht man sich einen Film wie „Where A Good Man Goes“ an, ist es kaum vorstellbar, dass Sie fast zwanzig Jahre lang als Auftragsfilmer für große Studios gearbeitet haben. Wann und warum vollzog sich Ihr Wandel zum Autorenfilmer?

1994 war ein einschneidendes Jahr in meiner bisherigen Karriere. Ich begann mich ernsthaft zu fragen, ob ich so, wie ich bis dahin gearbeitet hatte, überhaupt noch weitermachen wollte. Ich sah keinen Sinn mehr in meiner Arbeit und legte ein kleine kreative Pause ein. In dieser Zeit wurde mir bewusst, dass ich meine Zukunft unter keinen Umständen im Box-Office-Kino sah. 1995 begann ich schließlich wieder zu drehen, und es wurde der erste Film, der nur mir allein gehören sollte. Das war „Nothing New“. Seine unkonventionelle Machart hat uns damals in viele Kämpfe und Streitigkeiten verstrickt, aber uns allen war klar, dass sich etwas ändern musste. Der Hongkong-Film steckte in einer tiefen Krise, und es war an uns und einigen wenigen anderen Filmemachern, dies zu ändern. In der Folgezeit konnten wir mit Filmen wie „Beyond Hypothermia“ und „The Odd One Dies“ in Hongkong sogar eine gewisse Akzeptanz gewinnen.

Ich persönlich glaube heute, dass 1999 mein bisher bestes Jahr gewesen ist. Nur zeichnete sich bereits gegen Ende 99 eine große Krise in der Filmindustrie ab: Die Leute blieben plötzlich zu Hause. Es wurde also auf einmal nötig, sie überhaupt wieder in die Kinos zu bringen. Das war eine harte Erkenntnis, denn uns war klar, dass dies nur mit großen Mainstream-Filmen gelingen konnte. Trotzdem wollten wir aber weiterhin unsere kleinen persönlichen Filme drehen.

Sie drehen also zwei Filme für sich und einen für das Box-Office?

(lacht) Wohl eher zwei kommerzielle Filme und dann wieder einen für mich.

Aber haben Sie mit Milkyway nicht die Freiheit, die Projekte zu realisieren, die Ihnen am Herzen liegen?

Milkyway ist unsere Firma, aber wir sind nicht der Investor. Hätte ich mehr Geld, würde ich nur machen, was ich will. Derzeit ist das einfach unmöglich.

In Europa gelten Sie als Unterstützer von jungen, unabhängigen Filmemachern, die abseits des Mainstream arbeiten.

So weit würde ich nicht gehen. Ich fürchte, momentan fehlt uns einfach die Finanzkraft, um jungen Filmemachern genügend Rückhalt zu bieten, ihre eigenen Visionen zu verwirklichen. Eins ist sicher: Wenn wir an 1999 anknüpfen und Filme produzieren wollen, die uns wirklich etwas bedeuten, die für etwas stehen, dann muss es uns vorher gelingen, viel Geld zu verdienen. Erst wenn Wai Ka-Fai und ich wieder als Investoren auftreten können, haben wir die hundertprozentige Kontrolle über unsere Filme zurückgewonnen.

Sehen Sie nicht ein großes Potenzial auf dem europäischen Markt?

Sicher, aber uns ist es wichtig, weiterhin in Hongkong präsent zu sein. Verschiedene Interessenten sind bereits an uns herangetreten, aber mir scheint, es wäre ein schlechtes Timing, sich jetzt auf eine internationale Produktion einzulassen. Ich glaube, ich habe noch viel zu lernen, bevor es so weit ist.

Sie sind seit den Siebzigern im Geschäft. Das sollte an Erfahrung doch eigentlich reichen.

(lacht) Geben Sie uns noch zwei Jahre.

Es heißt, dass die Triaden, ähnlich wie die Yakuza in Japan, seit der Übergabe in der Hongkong-Filmindustrie an Einfluss gewonnen haben. Ist da was dran?

Das ist mit Sicherheit ein Gerücht. In den letzten zwei Jahren war in der Filmindustrie kein Geld zu machen. Die Triaden wären schon blöd, sich in diesen Industriezweig einzuklinken. So weit ich weiß, wirft der DVD-Schwarzmarkt zurzeit die größten Profite ab. Sie wären also gut beraten, ihre Finger von der Filmindustrie zu lassen. Wir können dann auch in Ruhe weiterarbeiten.

„Where A Good Man Goes“. Regie: Johnnie To. Volksrepublik China 1999, 92 Min. Zurzeit im Central und im Eiszeit-Kino.