Danone entlässt: Franzosen entdecken den Boykott

Trotz hoher Gewinne will Danone Fabriken schließen und wird nun boykottiert. Entlassungsverbot für Unternehmen mit schwarzen Zahlen gefordert

PARIS taz ■ „Danone“ ist in aller Munde. Seit der Lebensmittelmulti Massenentlassungen und Fabrikschließungen ankündigte, rächen sich die Franzosen an ihrer Lieblingsmarke. Sie entdecken den Boykott, der ihnen bislang als angelsächsische Protestform galt, für sich und lassen Jogurts, Kekse und Mineralwässer in den Regalen. Nicht nur mehrere Minister sowie 90 Parlamentsabgeordnete und Millionen Einzelpersonen beteiligen sich an diesem ersten sozial begründeten Verbraucherboykott Frankreichs, sondern auch Gemeinden im ganzen Land, die „beschäftigungspolitisch sinnvoll“ für ihre Kantinen, Krankenhäuser und Schulküchen einkaufen wollen.

„Schmeißt Danone aus euren Einkaufswagen!“, hatten die Arbeiter in Calais skandiert, als sie am 29. März erfuhren, dass ihre Keksfabrik geschlossen werden soll. Danone – mit weltweit 75.000 Beschäftigten und 13.300 Millionen Euro Umsatz im Jahr 1999 Frankreichs größter Lebensmittelkonzern – will von seinen 36 europäischen Keksfabriken 6 schließen. Davon 2 in Frankreich mit 570 Arbeitsplätzen. Als Gründe nannte Danone-Chef Riboud Kostensenkung und Rationalisierung. Die französische Öffentlichkeit spricht nun von „Luxusentlassungen“ und „Wegwerfarbeitern“.

Denn Danone geht es – wie auch seiner Konkurrenz auf dem weltweiten Nahrungsmittelmarkt – gut. 1999 machte der Konzern 682 Millionen Euro Nettogewinn und verbesserte sein Ergebnis gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete er erneut hohe Gewinne.

„Eine Sauerei“, erklärt Monique Somers, Personalvertreterin der Gewerkschaft CGT in der Fabrik von Calais, „das sind Massenentlassungen, die nicht wirtschaftlich, sondern rein finanziell begründet sind. Es geht nur um die Aktionäre.“ Die Belegschaften der Fabriken vermuten, dass sie vor allem wegen des hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrads auserkoren worden sind. Somers: „Wir haben die Linken in die Regierung gewählt. Wenn hier nichts geschieht, wird es knallen wie im Mai 68.“ Seit vier Jahren ist die Zahl der Arbeitslosen in Frankreich um rund eine Million auf jetzt 8,8 Prozent gesunken. Gleichzeitig aber hat sich eine Schere geöffnet zwischen jenen, die von dem Wirtschaftswachstum profitieren, und jenen, an denen es spurlos vorübergegangen ist. Angesichts von Rekordgewinnen einerseits und gleich mehreren geplanten Massenentlassungen bei großen Konzernen andererseits – am selben Tag wie Danone hat auch Marks & Spencer einen spektakulären Entlassungsplan bekannt gemacht, inzwischen ist dergleichen auch bei den Fluggesellschaften AOM und Air Liberté im Gespräch – verlangen die Franzosen jetzt den sozialen Ausgleich. An den sozialistischen Premierminister Lionel Jospin richten sich damit hohe Erwartungen. Seine linken Koalitionspartner fordern ein „Entlassungsverbot für Unternehmen, die Gewinne machen“. Durch die Protestbewegung fühlen sie sich gestärkt.

Zahlen über die Auswirkungen des Boykotts, zu dem immerhin 70 Prozent der Franzosen bereit sind, gibt es bislang nicht. Der boykottierte Konzern hat angesichts der unerwarteten Proteste eine Krisenzelle gegründet. Schließlich ist aus den angelsächsischen Ländern bekannt, dass Boykottaktionen, selbst wenn sie nicht unmittelbar umsatzgefährdend sind, langfristig schwere Imageschäden anrichten. Kurzfristig dürfte vor allem der Hauptkonkurrent Nestlé, der für jedes Danone-Produkt eine Alternative bietet, von dem Boykott profitieren. Dabei springt „Nestlé“ mit seinen Beschäftigten nicht minder rabiat um: In den vergangenen Jahren strich der florierende Schweizer Multi Hunderte von Arbeitsplätzen.

DOROTHEA HAHN