„Wachstum schadet“

Wirtschaftswachstum taugt nicht als Wohlstandsindikator. Experte fordert: Produkte müssen umweltschonender, Wachstum muss geringer werden

Interview BERNHARD PÖTTER

taz: Die Wirtschaft wächst langsamer als erwartet, ist das aus ökologischer Sicht nicht zu begrüßen?

Grundsätzlich kann man das nicht sagen. Sicher ist aber, dass die Art und Weise des Wachstums, das wir haben, umweltschädlich ist. Durch die wachsende Nachfrage werden die Erfolge der Umweltschutzpolitik wieder zunichte gemacht. Beispiel Katalysator: Autos stoßen jetzt weniger Stickstoff aus, aber es fahren immer mehr Autos immer schneller und häufiger.

Wo ist der Ausweg?

Produktion und Produkte müssen wesentlich umweltschonender werden. Aber selbst wenn man sich vorstellt, dass Autos nicht mehr mit Benzin fahren und kein CO2 mehr ausstoßen würden, wäre es auch nicht gleichgültig, wie viele davon hergestellt werden, allein wegen der Material- und Energiekosten. Selbst bei einem umweltschonenderen Wachstum müssten die Wachstumsraten niedriger werden.

Also auch die Massenproduktion etwa von Brennstoffzellenautos würde das Problem nicht lösen?

Nein, das Problem ist nur durch Qualitätsverbesserungen, die dann natürlich zu höheren Preisen führen, lösbar.

Aber man kann sich ja auch ein Wachstum vorstellen, das aus wertvolleren Produkten resultiert. Genau das kann man erwarten, wenn die Wirtschaft nach und nach auf eine Kreislaufwirtschaft mit geringeren Emissionen und einem geringeren Rohstoffverbrauch zusteuert. Trotzdem könnte es monetär gesehen ein Wachstum geben, wenn die Menschen diese Produkte als so wertvoll erachten würden, dass sie dafür auch steigende Preise in Kauf nehmen.

Die Umweltbewegung hat lange Zeit Null- und sogar Minuswachstum gefordert. Wäre das ein Ausweg?

Das ist missverständlich. Gemeint war Nullwachstum von umweltschädlichen Produktionen und Emissionen.

Es heißt, dass es ein Wachstum von drei Prozent geben muss, um Vollbeschäftigung zu erreichen.

Das ist unter den gegebenen Bedingungen sicher richtig. Aber wenn wir die Arbeit flexibler und kürzer machen würden, wenn das nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern akzeptiert werden würde, könnte es Vollbeschäftigung geben.

Wachstum ist auch ein allgemeiner Wirtschaftsindikator. Gäbe es dazu eine Alternative?

Ich bin sicher, dass man sich mit gutem Willen auf ein oder zwei Indikatoren, etwa den Beschäftigungsgrad und die Qualitätsfortschritte oder Indikatoren für die Umwelt, festlegen könnte. Es gibt Indikatoren für die Erwartungen der Bevölkerung, für die Zufriedenheit mit den Lebensumständen. Das sind Möglichkeiten, für die sich nur ein Politiker einsetzen müsste.

Sowohl Umweltschäden als auch deren Beseitigung schlagen in der jetzigen Rechnung positiv zu Buche. Müsste man diese Berechnung nicht ändern?

Allerdings. Es gibt einen Indikator für die Steigerung des Nettowohlstandes. Der zeigt, dass das Bruttosozialprodukt zwar stetig gestiegen ist, der Nettowohlstand aber seit den Siebzigerjahren gleich geblieben und in den USA sogar gesunken ist.

Trotz Wirtschaftswachstum geht es uns also nicht besser?

Genau. Die Volkswirtschaft insgesamt hat an Nettowohlstand nichts gewonnen.

Sehen Sie bei Rot-Grün eine Veränderung in dieser Frage?

Nein, auch mit einer rot-grünen Regierung, gerade so, wie sich der grüne Koalitionspartner bisher verhalten hat, ist das vorerst nicht zu erwarten. Aber vielleicht besinnen sich die Grünen ja noch auf ihre ursprüngliche Aufgabe.