Schindler bei Karry-Mord entlastet

Der Prozess gegen die „Revolutionären Zellen“ wird im Mai neu aufgerollt. Das Verfahren vor dem Berliner Kammergericht soll mit dem Fall Rudolf Schindler verbunden werden. Durch eine neue DNS-Spur im Mordfall Karry wird Schindler entlastet

von WOLF-DIETER VOGEL

Eine DNS-Analyse brachte es an den Tag: Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das mutmaßliche Mitglied der Revolutionären Zellen (RZ) Rudolf Schindler nicht für den Tod des früheren hessischen Wirtschaftsministers Heinz Herbert Karry im Jahr 1981 verantwortlich. Dies geht aus einer gentechnischen Untersuchung hervor, die die Bundesanwaltschaft bereits vor einem Jahr in Auftrag gegeben hat. Unterdessen entschied das Berliner Kammergericht am Donnerstag, ein Verfahren gegen den 58-jährigen Schindler wegen RZ-Mitgliedschaft mit dem bereits laufenden Prozess gegen vier weitere mutmaßliche RZ-Mitglieder zu verbinden.

Noch im November hatte die Aussage des Kronzeugen Tarek Mousli im Frankfurter Prozess um den Überfall auf die Wiener Opec-Konferenz 1975 nahe gelegt, Schindler habe auf den FDP-Politiker geschossen. Das Ex-RZ-Mitglied Mousli hatte damals nur vage von internen Gesprächen über die Aktion berichtet. Dennoch galt seine Aussage als Hinweis auf eine Täterschaft Schindlers. Nun fanden die Gutachter zwar „menschliche Anhaftungen“ an der Pistole, die „eindeutig einer Person zuzuordnen sind“. Diese Person sei aber weder Schindler noch seine wegen anderer RZ-Delikte vor Gericht stehende Frau Sabine Eckle. Möglicherweise hätten „legale Spurenleger“, also Polizeibeamte, bei ihren Ermittlungen alte Hinweise verwischt und gleichzeitig neue Spuren hinterlassen.

Schindler selbst hatte im Opec-Verfahren angegeben, er habe nach seinem Abtauchen 1978 „bis zur Wiederaufnahme seiner politischen Aktivitäten Mitte der 80er-Jahre keine strafbaren Handlungen begangen und keiner verbotenen Organisation angehört“. Dieser Einschätzung folgte vor wenigen Wochen auch der Bundesgerichtshof in einem Urteil. Damit wurde ein weiterer Prozess gegen den 58-Jährigen möglich. Allerdings hatten die Karlsruher Richter Schindlers „Wiedereintritt“ in die RZ auf das Jahr 1981 vorverlegt. Denn: Karry wurde im Mai 1981 getötet. Jetzt muss sich Schindler wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an RZ-Aktionen in den Achtzigerjahren in Berlin verantworten.

Nach dem Beschluss des Kammergerichts, das Verfahren mit dem vor drei Wochen begonnenen Prozess gegen vier weitere Beschuldigte zu verbinden, wurde die Hauptverhandlung bis Mitte Mai ausgesetzt. Nicht zuletzt diese Verzögerung gab den Anwälten der übrigen Angeklagten Anlass, Haftverschonung für ihre Mandanten zu fordern. Die maximal zu erwartende Strafe rechtfertige eine Entlassung. Richterin Hennig wollte dem Antrag nicht folgen. Anträge wie der zum Gesundheitszustand einer Angeklagten seien dafür verantwortlich, „dass die Anklage nicht verlesen werden konnte“.

Als „Skandal“ empfindet Verteidiger Wolfgang Kaleck diese Begründung. „Das Gericht verhandelte bis heute in homöopathischen Dosen.“ Schindlers Anwalt Hans Wolfgang Euler sagte der taz, er werde vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn sein Mandant in Haft bleibe.