Die Polizei ist notorisch rassistisch

Nicht nur in Cincinnati klagen schwarze US-Bürger über das diskriminierende Verhalten der Polizei

WASHINGTON taz ■ Die meisten US-Bürger traf die Nachricht von den „Rassenunruhen“ in Cincinnati aus heiterem Himmel. Bei genauerem Hinschauen scheinen sie jedoch fast unvermeidlich gewesen zu sein. Erst vor einem Monat verklagte die Bürgerrechtsorganisation ACLU die Stadt wegen notorischer Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung durch die Polizei.

Der Tatbestand lautet „Racial Profiling“: „Profilerstellung aufgrund von Rassenzugehörigkeit“. Nicht nur in Cincinnati klagen schwarze US-Bürger darüber, dass sie von Polizeibeamten misstrauischer behandelt werden als Weiße. In Dutzenden Städten wird das Problem derzeit mit aufwendigen Studien dokumentiert. Es trifft besonders schwarze Männer unter 30. Doch praktisch jeder schwarze US-Bürger hat schon schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht.

Die Klageschrift gegen die Großstadt im Mittleren Westen zeichnet ein beängstigendes Bild vom Verhalten der dortigen Polizei. Seit 30 Jahren müssen die schwarzen Bürger von Cincinnati demnach tägliche Schikanen ertragen. Anders als Weiße werden sie routinemäßig wegen kleinerer Verstöße gegen die Verkehrsregeln angehalten und mit Bußgeldern belegt. Wer bei Rot über die Fußgängerampel geht, hat besser keine schwarze Hautfarbe. Leibesvisitationen gehören laut ACLU zum Alltag.

„Diese Stadt hat ein ernsthaftes Problem“, erklärte die Exekutivdirektorin der Organisation, Christine Link, schon vor vier Wochen. „Rassistische Vorurteile betreffen in Cincinnati fast jeden Aspekt der Polizeiarbeit.“ Der schwerste Vorwurf lautet, dass Polizisten gegenüber Schwarzen schneller die Waffe zücken als gegenüber Weißen oder asiatischstämmigen Bürgern. Seit 1995 wurden in Cincinnati 15 Schwarze und kein einziger Weißer von der Polizei getötet. In den meisten Fällen hätten die Verdächtigen zuerst geschossen, bevor die Polizisten in Notwehr das Feuer erwiderten, sagt Bürgermeister Charles Luken zur Rechtfertigung.

In New York muss sich die Polizei für ihre Praktiken rechtfertigen, seit der afrikanische Einwanderer Amadou Diallo dort vor zwei Jahren im Kugelhagel starb. Polizisten hatten 41 Schüsse auf den unbewaffneten Mann abgegeben und wurden dennoch später freigesprochen. Die New Yorker Polizei ziehe schneller die Waffe und wende häufiger Gewalt an, wenn sie es mit schwarzen Verdächtigen zu tun habe, ergab ein Untersuchungsbericht, der seit dieser Woche im Entwurf vorliegt. Verliefen die Leibesvisitationen ergebnislos, ließen sich die Beamten in den meisten Fällen weder zu einer Erklärung noch zu einer Entschuldigung herab.

Den Beschwerden der schwarzen Minderheit über „Racial Profiling“ wagt sich selbst der republikanische Präsident George W. Bush nicht zu entziehen. Er wies seinen Justizminister John Ashcroft vor anderthalb Monaten an, entsprechende Praktiken der US-Bundespolizei zu überprüfen. „Eine Regierung, die Mitgefühl propagiert, muss auch Gerechtigkeit propagieren“, erklärte er vollmundig in seiner Rede vor dem Kongress Ende Februar.

Kritiker halten Bush vor, er schrecke davor zurück, Städte und Einzelstaaten zur Gleichbehandlung von Schwarzen und Weißen durch die Polizei zu zwingen. Über die Unruhen in Cincinnati zeigte er sich zwar „besorgt“. Doch mehr als guten Rat hatte er nicht anzubieten. Das Dekret zum Verbot von „Racial Profiling“, das sein demokratischer Rivale Al Gore versprochen hatte, ist unter Bush aller Wahrscheinlichkeit nach chancenlos. ELLY JUNGHANS