Der Mörtel bröckelt

Das 1:1 gegen Hansa Rostock lässt die Spielvereinigung Unterhaching bezüglich der Perspektiven des Klassenerhalts einigermaßen ratlos zurück

aus UnterhachingCLAUDIO CATUOGNO

Gleich nach dem Abpfiff krochen die Phrasen aus der Abendkälte dieses Ostersonntags. Krochen direkt in die Mikrophone der versammelten Journalisten, die Phrasen: „Wir müssen punkten, um in der Ersten Liga zu bleiben“ – oder: „Es hätte auch 3:0 für uns stehen können“ – oder: „So ist eben Fußball“.

Durch ein 1:1 gegen Hansa Rostock hatte die SpVgg Unterhaching gerade die Abstiegsränge der Fußball-Bundesliga verlassen, einerseits. Andererseits warten bis zum Saisonende noch Gegner wie Bremen, Dortmund und Schalke auf den Münchner Vorortclub. Was soll man da also sagen auf die ewig gleiche Frage nach dem Klassenerhalt? Es wurde ein typischer Abend für diese Nichts-Sätze des Fußballs.

Dabei war das 1:1 kein typisches Spiel für Unterhaching. Typische Haching-Spiele verlaufen nämlich folgendermaßen: Der ewige Underdog kompensiert seine spielerische Unvollkommenheit, indem er seinerseits dem Gegner das Fußballspielen nicht gestattet. „Mörteltaktik“ nennen sie das in München, oder auch: „Kontrolle statt Schönheit“. Weil die Mannschaft dabei aber Fehler macht, verliert sie meistens (zwölfmal in dieser Saison) – es sei denn, sie kann den eingelullten Gegner doch noch mit einem eigenen Treffer überraschen (zehn Unentschieden).

Am Sonntag hingegen hatte Haching schon viel versprechende Torchancen, bevor Abdelaziz Ahanfouf den Ball in der 54. Minute zur 1:0-Führung ins Rostocker Tor drosch. Dabei war der ungewohnte Offensivdrang der SpVgg nicht nur ihr eigenes Verdienst – es wurden durchaus genügend Bälle ins Aus gestochert oder planlos in den leeren Raum geschlagen. Aber das Team aus Rostock spielte so desolat, dass sich Trainer Friedhelm Funkel am Ende über einen „gewonnenen Punkt“ freute. Gewonnen durch Slawomir Majaks Ausgleichstreffer in der 75. Minute. Ein einziger sehenswerter Angriff reichte Rostock. Aber – fünf Mark ins Phrasenschweinchen – „so ist eben Fußball“.

Vier Spiele hintereinander hat Unterhaching jetzt nicht verloren, möglich also, dass die kleine Spielvereinigung der Bundesliga auch ein drittes Jahr erhalten bleibt und die Sensation langsam zur Normalität wird. Möglich aber auch, dass dann die Sympathien verschwinden, die Haching als Aufsteiger genoss, der die „Großen“ ärgerte. War es doch die SpVgg, die im Mai 2000 Bayer Leverkusen besiegte und so Bayern München zum Deutschen Meister machte. Seit Haching aber die Großen seltener ärgert, ärgern sich immer häufiger die Fußballfans, die von einem Dauergast in der Bundesliga erwarten, dass er sich auch spielerisch weiterentwickelt. So wie es etwa der SC Freiburg oder der VfL Wolfsburg getan haben.

Erstmals gab es in dieser Saison deshalb Kritik am System von Trainer Lorenz-Günther Köstner. Nach fünf erfolgreichen Jahren war er plötzlich auch intern umstritten. Im Kader wuchs die Unzufriedenheit, weil Köstner häufig die Aufstellung wechselte, ohne seine Entscheidungen gegenüber den Spielern zu begründen. Die Münchner Medienlandschaft würde Köstner wohl ohnehin keine Träne nachweinen – gibt der sich doch fast ebenso ruppig wie 1860-Coach Werner Lorant ein paar Kilometer stadteinwärts, dafür aber 100 Prozent humorloser.

Nach zwölf Wochen Bedenkzeit hat Köstner nun für sich entschieden, dass er die Mannschaft noch erreicht – und seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Auch für die Zweite Bundesliga. Haching-Manager Norbert Hartmann sagt, Köstners Spielsystem sei zur Not auch dort „weiter entwicklungsfähig“.