„Silvios kleine Geheimnisse“

In Italien lässt der Rechtspopulist Silvio Berlusconi seine Biografie an alle Haushalte verschicken. Die Wähler sollen endlich merken, dass er ein wahres Genie ist und im Urlaub die Klassiker des europäischen Denkens verschlingt

ROM taz ■ Zwölf Millionen Auflage, Kosten 36 Millionen Mark: Silvio Berlusconis ultimative Wahlkampfwaffe heißt „Una vita italiana“. In den nächsten Tagen wird Italiens Post die Haushalte des Landes flächendeckend mit einem Foto-Buch versorgen, das den Bürgern auf 128 Seiten im A4-Format „ein italienisches Leben“ erzählt. Natürlich nicht irgendeines. „Die endgültige Formung seines Charakters übernehmen die Salesianer“, heißt es da über die Schulzeit des Protagonisten. „Pater Emilio Furlottis Erinnerung an den Schüler Silvio Berlusconi: Er war genial.“

Foto um Foto, Bildtext um Bildtext wird der Lebensweg vom kleinen Genie zum großen Berlusconi abgefeiert. Es geht zu wie in jedem ordentlichen Königshaus. Der Vater war „eine große Persönlichkeit“, die Mutter „ein wahrer Freund“, die Familie stand immer im Mittelpunkt, und selbst Berlusconis Scheidung von der ersten Frau kann das Bild nicht trüben – „die Liebe verwandelte sich in aufrichtige Freundschaft“.

Es sei halt darum gegangen, die „wahre Biografie“ Berlusconis aufzuschreiben, so der Schulfreund des Helden und Forza-Italia-Abgeordnete Guido Possa, der das nach Kim Il Sung riechende Projekt anschob. „Der Charakter und die Passionen“ heißt das erste Kapitel, dann geht es weiter mit „Silvios kleinen Geheimnissen“. Die großen nämlich behält er für sich; kein Wort über die Herkunft der Millionen, mit denen ihm „die Schaffung des Imperiums“ gelang, als er dem Land „endlich ein freies Fernsehen“ bescherte. Stattdessen erfahren wir, dass der Star einen „grünen Daumen“ hat, dass er im Urlaub auf den Bermudas zusammen mit seinen Freunden „die Klassiker des europäischen Denkens“ verschlingt, dass sein Lebensstil mit dutzenden Villen, mit Jachten und Privatjets „keineswegs mondän ist“.

Den Wahlkampf der Rechten hat Berlusconi bereits in eine Daily Soap verwandelt, die sich nur um ihn dreht. Von Programmen zu reden bringe keine Wählerstimmen, verkündete er unlängst, und verdonnerte sämtliche Kandidaten seiner Forza Italia dazu, bei der Stimmenwerbung auf Plakate mit den eigenen Konterfeis zu verzichten. Nichts soll den Glanz des Spitzenkandidaten schmälern, der sich für einen Politiker hält, „der weltweit ohnegleichen ist“. Das breite Publikum stehe auf dem Niveau eines „elfjährigen Kindes, das nicht mal besonders helle ist“, so hatte der TV-Unternehmer schon vor Jahren Angestellte aufgeklärt – und so führt er jetzt seinen Wahlkampf. Mit unerwünschten Nebenwirkungen allerdings: Die tägliche Überdosis Berlusconi ist bestens geeignet, die bisher unentschlossenen Wähler auf der Linken zu mobilisieren. MICHAEL BRAUN