Der Charme des Unzeitgemäßen

■ Alle Jahre wieder: Dead Moon halten am Freitag in der Fabrik wie eh und je die Fahne der der Beständigkeit hoch

Kulturpessimisten und andere Zyniker werden es nicht gerne hören, aber Authentizität hat einen Namen: Dead Moon. Das Trio – bestehend aus Fred Cole, seiner Frau Toody und Schlagzeuger Andrew Loomis – hat sich seit seiner Gründung vor 15 Jahren musikalisch keinen Millimeter von seinen Ursprüngen entfernt. Sein knochiger Garagen-Rock mit spürbarem Sixties-Einschlag erzählt seit jeher vom Leben und der Liebe der Erfolglosen, und der kollektive Lebenslauf der Band beweist: Die ers-te Person in den Texten ist hier kein Stilmittel, sie ist wörtlich zu nehmen. Sänger Fred Cole verdingt sich seit 1964 im Musikgeschäft und erlebte in den letzten 35 Jahren weit mehr Tiefen als Höhen.

1966 geriet seine Band The Weeds an einen Produzenten, der sie überredete, ihren Namen in Lollipop Shoppe zu ändern, und die Mitglieder auch noch mit einem Lolli in der Hand auf dem Cover ablichtete. Dann mussten Toody und Cole ihre Hochzeit geheimhalten, weil verheiratete Sänger in der Gunst des weiblichen Publikums nicht hoch im Kurs standen. Und ein paar Jahre später lebte Familie Cole samt Kindern dann in einer selbst gezimmerten Holzhütte in einem kanadischen Naturschutzgebiet, um Fred die Verschiffung als Soldat nach Vietnam zu ersparen.

All das lässt einen versucht sein, Tabu-Adjektive wie „ehrlich“ oder „glaubwürdig“ anführen zu wollen, wenn es um die Charakterisierung dieser Band geht. „I've waited too long to have it any other way“, singt Fred Cole in einem Lied, und deshalb lässt er es sich auch nicht nehmen, seine Platten zu Hause im eigenen Schlafzimmer aufzunehmen und in klassischem Mono zu mastern.

Wenn die Band dieser Tage zum ungefähr zehnten Mal nach Hamburg kommt, weiß die Fangemeinde zwischen grobschlächtigem Motorradrocker und smartem Sixties-Fan genau, was sie erwartet. Dead Moon sind die personifizierte Vorhersagbarkeit. Die Zeiten ändern sich, aber die Lieder bleiben die gleichen. Sie wechseln nur ihre Namen.

Doch was anderen Bands als Stagnation ausgelegt wird, gilt bei Dead Moon als Rückgrat. Das liegt wohl auch daran, dass die drei selbst beim sechzigsten Konzert einer Tour noch mit einem Enthusiasmus zur Sache gehen, der glauben macht, man wohne einem Abschiedskonzert bei. Fred Cole lässt seine kratzige Falsett-Stimme zwischen Bon Scott und Sky Saxon wie rostige Ankerwinden krächzen, und wenn nichts mehr hilft, hilft immer noch Jack Daniels. Der steht (leer) als Kerzenständer am vorderen Bühnenrand auf dem Schlagzeug und (voll) bei Andrew Loomis. So war es immer und so wird es auch diesmal wieder sein. Und das ist gut so. Gregor Kessler

mit Stabb: Freitag, 21 Uhr, Fabrik