Über den erforderlichen Umgang mit Hanseaten

■ Eloge und Eloquenz werden erwartet: Im Rahmen der Hamburger Lesetage plaudert der Autor Stefan Beuse heute Abend im Café Libresso aus seiner jüngst erschienenen „Gebrauchsanweisung für Hamburg“

Bedienungsanleitungen, Beipackzettel und Instruktionsvorschriften: Diese ungewollten Mitgiften mehr oder minder entbehrlicher Zivilisationsprodukte, deren irdische Daseinsberechtigung augenscheinlich nicht aus ihrem bloßen Vorhandensein erklärbar ist, erweisen sich meist als ein technokratischer Fundus gefühlskeuscher Imperative. Nicht so Stefan Beuses Gebrauchsanweisung für Hamburg, die der an die Elbe exilierte Westfale heute auf Einladung des Café Libresso allen Hilfsbedürftigen vorstellen wird.

In locker animiertem Redefluss plaudert sich Beuse auf seiner „Reise zum Kern des Hanseaten“ voran. Weniger eine Führung durch die Stadt ist es also, als ein Ratgeber für den Umgang mit ihren Bewohnern. An sechzehn Stationen entlang begleiten wir den nomadisierenden Erzähler, der als Auftakt den traumatischem Urknall für seine Hamburg-Liebe wählt: die aus verwandtschaftlicher Spießbürgerbefangenheit erwachsenen Weltstadt-Gelüste.

Eine anschließende episodische Szenenfolge führt durch den Elbtunnel in die Ess- und Kleidungsmarotten sowie die Darstellungssucht „typischer“, das heißt sich britisch dünkender, Hanseaten ein. St. Pauli wird als Soho en miniature gestreift, der Revoluzzergeist in Hafenstraße und Schanzenviertel als Kontrapunkt zur geistigen Elite der Werber und höheren Bürgerstöchter beäugt. Rathausdemokratie, Biowetter und Rüdiger Nehberg als lokale Prominenz schließen sich nahtlos an einen Quick-Stopp auf der Reeperbahn an. Und so spinnt sich diese rhapsodische Assoziationskette fort, bis der Causeur Beuse mit einem Dos-und-Don'ts-Katalog für Wahlhamburger à la Knigge schließt.

Beuses Stärke ist die Situationskomik seiner Beobachtung lebendiger Hamburgensien, die er mit sprachlicher Brillanz souverän meistert. Wie etwa bei der Figur Clarissa, die er mit ihrem großbürgerlichen Weltekel allem Plebejischem gegenüber typisierter Inbegriff hanseatischer Jeunesse dorée sein lässt. Oder bei den butterfahrenden Pensionären: „Kaffee-Hag-Cliquen mit leicht bläulichen Haaren und Persianermänteln, die nach nassem Hundefell und Kölnisch Wasser riechen“.

Seine Gesellschaftskritik ist fein vorgetragen, wie bei der sozialen Barriere zwischen denen, die sich nördlich und und jenen, die sich südlich der Elbe aufhalten: „während unsichtbare Lageristen und Packer bis zum Morgengrauen ihre Arbeit tun, lässt sich der Anblick über den sicheren Wassergraben hinweg trefflich an einem Loup de mer an Ingwercoulis genießen“.

Deutlicher hätte vielleicht noch die Einsamkeit der Großstadtmenschen herausgestellt werden können. In der Beschreibung einer aufgefundenen leeren Agenda und einem wortlosen Telefonat klingt sie nur sehr verschwommen an. Die als „Zwischenstopp“ getarnten Exkurse sind zweifelhafte Versuche, banales Alltagsgeschehen poetisch zu verklären. Ebenso entwertend, da er die textliche Kohäsion stört, wirkt auch der Versuch, bereits veröffentlichte Reportagen zu integrieren: Die eigentlich wohlformulierten Gedankenblitze werden derart zu Treibholz.

Insgesamt aber belegt Beuses Gebrauchsanweisung die inspirierende Kraft der Stadt Hamburg, von der Heinrich Heine noch meinte, sie sei ein „verludertes Kaufmannsnest voller Huren, aber ohne Musen“. Frank Schönian

Lesung mit Stefan Beuse heute, 20 Uhr, Café Libresso, Westflügel des Uni-Hauptgebäude an der Edmund-Siemers-Allee 1

Stefan Beuse: Gebrauchsanweisung für Hamburg, Piper, München 2001, 162 S., 32 Mark