Bremer Bläser stellt Gesänge vor

■ Für das Minifestival „Unerhört“ im Bremer Schauspielhaus hat Uli Beckerhoff SangeskünstlerInnen aus Europa eingeladen

Seit Uli Beckerhoff in der vorletzten Silvesternacht auf seiner Trompete das neue Jahrtausend vom Balkon des Theaters am Goetheplatz eingeblasen hat, hat Theaterintendant Klaus Pierwoß scheinbar an ihm einen Narren gefressen. Nachdem der Local Hero des Jazz mit seinem Vocalprojekt „La Voce“ auf die Bremer Bühnenbretter eingeladen wurde, bekam er nun den Auftrag, doch ein kleines, zweitägiges Festival auszurichten. Und Beckerhoff, der sich vor „La Voce“ nach eigener Aussage kaum um Vokalmusik gekümmert hat, scheint immer noch fasziniert von der menschlichen Stimme zu sein. Sein neues Mini-Festival „Unerhört – Faszinierende Stimmen aus Europa“ wirkt wie eine Weiterführung von Beckerhoffs letztem Projekt, mit einer spannenden Mischung aus Stilen, Kulturen, Einflüssen und Talenten. Fast könnte man meinen, Beckerhoff wolle hier der Konzertreihe „women in (e)motion“ Konkurrenz machen, denn es fällt auf, dass bei ihm mit einer Ausnahme nur Frauen ihre Stimme erheben.

Diese Ausnahme ist das A-capella Quartett „Tam Echo Tam“ aus Belgien, in dem zwei Männer und zwei Frauen singen (A capella wurde übrigens in einer TV-Quizshow vor kurzem als „Gesang ohne Musik“ definiert, aber diese Blödheit nur am Rande). In „Tam Echo Tam“ stoßen französische, guayanesische, marrokanische und zairische Musiken und Persönlichkeiten aufeinander. Diese bunte Mischung wird noch dadurch weiter gewürzt, dass hier Jazz, Chanson, Pop und afrikanische Folklore kräftig durcheinander gemischt werden. Diese Formation tritt zum ersten Mal in Bremen auf.

Die englische Jazzvokalistin Norma Winstone ist hier dagegen eine alte Bekannte, nicht zuletzt durch ihr Mitwirken in Beckerhoffs „La Voce“. Diesmal tritt sie mit ihrem eigenen, neuen Trio (Piano und Holzbläser) auf, und man kann sich darauf verlassen, dass dies ein intensiver, vielschichtiger und inspirierter Auftritt sein wird, denn „sie setzt sich selber unmöglich hohe Ansprüche, und dann übertriff sie diese“ (so ein englischer Kritiker).

Die blinde portugiesische Fadosängerin Dona Rosa war im letzten Herbst so etwas wie die neueste Entdeckung in der Weltmusik-Szene. Ihr in Bremen beheimatetes Plattenlabel Jaro hatte damals die Werbetrommel vielleicht ein wenig zu laut gerührt, ihr Auftritt in der Kirche Unser Lieben Frauen war jedenfalls für viele eher ernüchternd. Wohl auch, weil das Konzert mit bulgarischen Sängerinnen und dem Bläser des Moskau Art Trio eindeutig überladen war. Vielleicht wird deshalb der bescheidenere Auftritt im Rahmen dieses Festivals ihr eher gerecht, bei dem sie nur von Enzo D'Aversa auf dem Akkordeon und dem Piano begleitet wird.

Die Entdeckung des Minifestivals verspricht aber Maria Pia De Voto zu werden. Eine Jazzsängerin aus Neapel, die in ihrer Heimat gefeiert, bei uns noch völlig unbekannt ist, aber schon mit solchen Jazzgrößen wie Joe Zawinul, Ralph Towner, dem Art Ensemble of Chicago und John Taylor gespielt hat. Mit Taylor wird sie auch in Bremen zu hören sein, und weil der ein guter Kumpel von Uli Beckerhoff ist, spielt der bei dem letzten Auftritt dieser Reihe dann auch mit.

Wenn alles gut geht (also das Schauspielhaus einigermaßen voll wird) denken Beckerhoff und das Theater daran, jedes Jahr solch ein „Unerhört“ erschallen zu lassen. Der Bremer Konzertszene, die ja ansonsten gerade böse ausgedünnt wird, wäre dies sehr zu wünschen.

Wilfried Hippen

„Unerhört – Faszinerende Stimmen aus Europa“: Freitag, 20. April, 20 Uhr, Schauspielhaus „Tam Echo Tam“ und Norma Winstone, Samstag, 20 Uhr, Schauspielhaus: Dona Rosa und Maria Pia de Vito