noch 256 tage bis zum euro
: taz-Serie über unser neues Geld. Dritter Teil

Den Euro gibt es auch in Guyana

Im größten französischen Département, das mit seinen 160.000 EinwohnerInnen zugleich das am dünnsten besiedelte ist, läuft die Euro-Kampagne auch auf Indianisch und auf Bushinengué, der Sprache der geflohenen afrikanischen Sklaven. Tausende von Prospekten in diesen „Regionalsprachen“ sind inzwischen in Guyana unters Volk gebracht worden. Zu den Informationsveranstaltungen über die neue Währung reisten manche RednerInnen in Booten an oder landeten im Flugzeug auf holprigen Urwaldpisten. Denn Straßen gibt es in der französischen Exklave im Norden Südamerikas nur auf einem schmalen Streifen längs der Küste.

Dass der Euro auch in das zwischen Brasilien und Surinam eingezwängte, mitten in der Dollarzone gelegene Département kommen würde, war klar. Schließlich gehört Guyana zu Frankreich wie das bretonische Département Finistère oder die Ardennes. Die 8.000 Kilometer Entfernung ändern nichts daran, dass für das Amazonasgebiet dieselben Regeln gelten wie in der „Métropole“ – von den Abiturprüfungen bis zur Hühnerzucht.

Eine andere Option hat es für Guyana nie gegeben. Seit seiner Erschließung als Arbeitslager für französische Straftäter war es auf das ferne Europa ausgerichtet – und kehrte seinen direkten Nachbarn den Rücken zu. Der Bau der europäischen Raumfahrtstation in Kourou hat diese einseitige Ausrichtung noch verstärkt. Heute ist es von Cayenne aus billiger, eine Flugreise nach Paris zu buchen als in die Nachbarhauptstädte.

Der kulturelle Austausch mit Brasilien beschränkt sich auf den Karneval. Und vor Surinam herrscht seit dem Bürgerkrieg in den 80er-Jahren vor allem Furcht. Natürlich wird über die 1.183 Kilometer Landgrenzen, von denen sich die längsten Strecken in Urwaldgebieten befinden, ein reger Schwarzhandel abgewickelt, bei dem es unter anderem um Tropenholz und Gold geht. Aber der offizielle Warenaustausch liegt bis heute nur unwesentlich über null. Von dem regionalen Markt „Caricom“ ist Guyana ausgeschlossen. So kann, wer in dem französischen Tropen-Département einen vor Ort produzierten Jogurt mit Guyava-Geschmack kauft, sicher sein, dass vom Plastikbecher über das Milchpulver bis hin zum Tropenfruchtaroma (!) alles aus Europa kommt.

Nur eine kleine Minderheit von UnabhängigkeitsbefürworterInnen befürchtet in Guyana, dass der Euro den Graben zu den Nachbarländern noch vertiefen wird. Die meisten ihrer Landsleute in den Orten an der Küste sind längst dazu übergegangen, wie in der „Métropole“ die Waren in beiden Währungen auszuzeichnen: Im alten Franc und im neuen Euro. Bloß die alten Leute sowie die oft zwischen zwei Ländern pendelnden und nicht immer des Lesens und Schreibens mächtigen Indianer und Bushinengué befürchten, dass ihnen die Umstellung schwer fallen könnte.

DOROTHEA HAHN

Und nächsten Donnerstag: Die Aktion der Sparkassen zur Rückgabe von Mark und Pfennig beginnt