Himmelweite Differenzen

China und die USA verhandeln über die Flugzeugkollision, die Herausgabe des US-Aufklärungsflugzeugs und die Zukunft der US-Spionageflüge – bisher ohne Erfolg

Peking will ein Ende der US-Spionageflüge, Washington verbittet sich aufdringliche chinesische Jet-Piloten

PEKING taz ■ Elf Tage verhandelten Pekinger Diplomaten mit ihren Kollegen aus Washington über die amerikanisch-chinesiche Militärflugzeugkollision vom 1. April. Dann bekamen sie ein „Very sorry“ von der US-Regierung und ließen die auf der südchinesischen Insel Hainan notgelandete US-Flugzeugbesatzung frei. Doch seit gestern führen auf amerikanischer Seite Militärs aus dem Pentagon die Regie. Und gestern begannen in Peking Gespräche zwischen chinesischen Diplomaten und amerikanischen Militäroffizieren über die Ursachen und Konsequenzen der Affäre. Die Gespräche, die nach knapp drei Stunden ergebnislos auf heute vertagt wurden, versprachen nicht Gutes.

China fordert die Einstellung der amerikanischen Spionageflüge entlang seiner Küsten. In den Flügen, die chinesische Abfangjäger regelmäßig verfolgen, erkennt Peking die eigentliche Ursache für die Kollision vom 1. April, die einem chinesischen Jet-Piloten das Leben kostete. Die Amerikaner hingegen denken nicht daran, ihre Überwachungsflüge bis an die Hoheitsgrenze von zwölf Meilen vor der chinesische Küste einzustellen. So weit reicht der internationale Luftraum, in dem die Flüge aus ihrer Sicht legal sind, während Peking auf die Hoheit in seiner 200-Meilen-Wirtschaftszone pocht.

Washington verbittet sich stattdessen das aggressive Verhalten der chinesischen Piloten, das nach amerikanischem Empfinden die Ursache für die Kollision über dem südchinesischen Meer war. Im Zweifelsfall will das Pentagon eigene Jets zum Schutz der Spionagemaschinen aufbieten. Zu diesem Zweck soll nach nicht bestätigten Zeitungsberichten der US-Flugzeugträger „USS Kitty Hawk“ demnächst von Japan ins südchinesische Meer verlegt werden.

Wie viel Verhandlungsspielraum bei den entgegengesetzten Ausgangspositionen verbleibt, ist fraglich. Chinesische Diplomaten fühlen sich von der amerikanischen Seite betrogen, seit das Pentagon nach der Freilassung der Flugzeugbesatzung einen härteren Ton anschlug. Umgekehrt fühlte sich das Pentagon in den ersten Wochen der Verhandlungen zurückgesetzt und will nun zeigen, wer der Herr über dem Pazifik ist.

Selbst Israel bekommt einen Teil des Ärgers ab. Denn die chinesischen Abfangjäger, die das verunglückte Spionageflugzeug verfolgten, hatten moderne israelische Raketen an Bord – ohne Wissen der USA, wie sich inzwischen herausstellte. Profitieren könnte hingegen Taiwan: Washington will nächste Woche über Waffenlieferungen an die Inselrepublik entscheiden, die China als abtrünnige Provinz betrachtet.

Es muss jedoch nicht beim Patt zwischen Peking und Washington bleiben. Amerikanische Unternehmensvertreter forderten gestern auf einem jährlich stattfindenden Weltwirtschaftsforum in Peking eine konstruktivere Reaktion ihrer eigenen Regierung auf den Flugzeugstreit. Viele US-Firmen werden „durch chinesisches Wachstum wachsen“, sagte der Vorsitzende der New Yorker Börse, Richard Grasso. Grasso und andere Teilnehmer des Forums schlossen aus, dass sich der gegenwärtige Streit mit Peking negativ auf den seit langem vorbereiteten Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation auswirken wird. GEORG BLUME