Künast will sofort Kohortenkeulung

Neue Verordnung der Agrarministerin sieht vor, nur noch einen Teil der Rinder nach einem BSE-Fall im Stall zu töten

BERLIN taz ■ Agrarministerin Renate Künast (Grüne) will künftig bei einem BSE-Fall auf einem Bauernhof nicht mehr in jedem Fall die gesamte Herde keulen lassen. Das sieht die so genannte Vorsorgeverordnung vor, die das Ministerium an den Bundesrat zur Zustimmung weiterleitet. Lebt das erkrankte Tier weniger als 20 Monate in der betroffenen Herde, würde danach künftig nur noch ein deutlich kleinerer Teil der Herde getötet werden – die so genannte Kohorte. Das bestätigte das Bundesagrarministerium gestern der taz.

Rheinland-Pfalz will diese Regelung in seinem jüngsten BSE-Fall im Kreis Kaiserslautern bereits anwenden. Nach Einschätzung der dortigen Umweltministerin Klaudia Martini wird der Bundesrat der Verordnung zustimmen. Trotzdem könnte es mit der neuen Regelung schon bald wieder vorbei sein. Denn die EU plant ebenfalls, das Vorgehen nach einem BSE-Fall erstmals verbindlich zu regeln. Zur Jahresmitte soll die EU-Verordnung fertig sein. Geplant ist, die Keulung des gesamten Bestandes vorzuschreiben – also die bisherige deutsche Praxis. Damit wäre auch Künasts Verordnung hinfällig.

Derzeit verhandelt Berlin mit Brüssel über die neue EU-Verordnung. Bislang wird die Kohortenlösung nur in der Schweiz angewandt. Dort werden nach einem BSE-Fall nur bestimmte Tiere gekeult, bei denen ein hohes Infektionsrisiko besteht. Unter einer Kohorte versteht man zunächst Muttertier, Geschwister und direkte Nachkommen. Dazu kommt die „Geburtskohorte“: Das sind in Künasts Entwurf alle Tiere, die im selben Stall ein Jahr vor oder nach dem erkrankten Tier geboren und mit demselben Futter aufgezogen wurden.

Dass Künast zudem die Keulung auf erkrankte Tiere beschränken will, die weniger als 20 Monate in der neuen Herde sind, hat seinen Grund: Nach heutigem Wissen vergehen mindestens 20 Monate, bis ein infiziertes Tier an BSE erkrankt – und möglicherweise BSE verbreiten kann. Im rheinland-pfälzischen Ministerium hält man Künasts Verordnung für „einen Schritt in die richtige Richtung“. Man hätte sich jedoch eine Kohortenlösung ohne Einschränkung gewünscht.

Das Problem bei BSE ist, dass man bisher wenig über die Krankheit weiß. Noch immer kann man nicht ausschließen, dass sich die Krankheit auch von Kuh zu Kalb oder sogar zwischen zwei beliebigen Tieren übertragen lässt. Sicher ist nur, dass die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering ist. Hauptinfektionsweg ist der Verzehr von verseuchtem Tiermehl oder von damit verunreinigtem Futter. Allerdings sind in Großbritannien bereits zwei Tiere an Rinderwahn erkrankt, die erst nach September 1996 geboren wurden. Damals setzte die Regierung den Besitz von Tiermehl unter Strafe – und unterband damit auch Verunreinigungen. Da es im Durchschnitt 60 Monate dauert, bis eine infizierte Kuh BSE entwickelt, könnten noch eine Reihe weiterer Fälle auftreten. Sie sind bis heute nicht erklärbar. Deshalb ist es Praxis in den EU-Staaten, die gesamten Herden zu töten, in denen der Fall auftrat. Einzige Ausnahme ist ausgerechnet Großbritannien: Dort wird nur das betroffene Tier gekeult. Dafür allerdings darf dort kein Tier zum Verzehr geschlachtet werden, dass älter als 30 Monate ist. Deshalb werden zum Beispiel ausgediente Milchkühe vernichtet.

MATTHIAS URBACH