Ein Gespenst wird gejagt

Arbeitslose, die sich um Jobs drücken, bilden zwar nur eine verschwindend kleine Minderheit. Sie spielen politisch aber eine große Rolle

von BARBARA DRIBBUSCH

Der Ingenieur kannte die Tricks. Zwei Jahre war er arbeitslos gewesen, in dieser Zeit hatte ihn das Arbeitsamt mehrfach zu Vorstellungsgesprächen geschickt. Er wurde nie genommen. „Man musste nur etwas ausführlicher von seinen Hobbys erzählen“, berichtet der Hamburger heute. Auch ein kleiner Hinweis darauf, dass er im früheren Unternehmen mit dem Chef nicht klarkam, hatte den erwünschten Effekt: Er wurde abgelehnt. Der Ingenieur war einer von den viel beschworenen „Drückebergern“– und ein Exot.

Erwerbslose, die sich mit allen Tricks um angebotene Jobs drücken, sind „eine Randerscheinung. Sie bestimmen die Arbeitslosigkeit nicht“, betont Eberhard Mann, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass das Segment der Arbeitsverweigerer in den vergangenen Jahren größer geworden sei.

Regeln schon verschärft

Von den rund 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland sind etwa ein Drittel länger als ein Jahr ohne Job. Von diesen 1,3 Millionen Langzeitarbeitslosen ist die Hälfte älter als 50 Jahre. Ein Drittel ist außerdem gesundheitlich eingeschränkt, 40 Prozent der Langzeitarbeitslosen haben keine Berufsausbildung. „Für diese Betroffenen ist es schwer, einen Job zu finden“, sagt Mann von der BA. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist dabei in den vergangenen zwei Jahren nicht gestiegen.

Dennoch gibt es auch für die nicht so hoch Qualifizierten immer wieder offene Stellen: 108.000 arbeitslosen Köchen und Kochhelfern stehen beispielsweise 23.200 offene Stellen beim Arbeitsamt gegenüber. Aber die Zahlen sagen nichts über eine Arbeitswilligkeit aus. Oft werden beispielsweise nur billige Jungköche gesucht. Viele Arbeitslose, gerade aus schlechter bezahlten Berufen, wollen außerdem nicht umziehen, oft ist auch die Fluktuation in diesen gering qualifzierten Jobs sehr hoch.

Die gesetzlichen Regelungen für die Ablehnung „zumutbarer“ Jobs sind in den letzten Jahren verschärft worden. Wer länger als ein halbes Jahr arbeitslos ist, für den gilt ein Job als „zumutbar“, auch wenn die Bezahlung nur noch so hoch ist wie das Arbeitslosengeld. Wer einen „zumutbaren“ Job ablehnt, dessen Arbeitslosengeld wird für zwölf Wochen gesperrt. Im Jahr 2000 wurden aber nur 91.000 Sperrzeiten verhängt.

Die Arbeitgeber erhalten zwar für jedes Vorstellungsgespräch vom Arbeitsamt ein Formblatt. „Da wird dann aber eben nur angegeben, dass der Bewerber nicht geeignet ist“, erläutert Klaus Pohl, Sprecher des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg. Ob der Arbeitslose sich bewusst unvorteilhaft präsentiert hat oder tatsächlich unfähig ist, können und wollen die Arbeitgeber nicht beurteilen. Mit so genannten Trainingsmaßnahmen, also etwa Bewerbungstrainings, kann man zwar einen Arbeitslosen für vier bis sechs Wochen gewissermaßen in eine Maßnahme zwingen, „danach aber ist er wieder arbeitslos. Das nützt nicht viel, wenn er nicht will“, erklärt Christian Gärtner, Abteilungsleiter beim Arbeitsamt Nord in Berlin. Nur etwa 1 Prozent der Arbeitslosen in Berlin sind derzeit in Trainingsmaßnahmen. Die Zahl derjenigen, die vom Arbeitsamt deswegen in die Maßnahme geschickt wurden, „um die Verfügbarkeit“ zu testen, schätzt Pohl auf nur 150.

Eingliederung geplant

Trotz des relativ kleinen Segments an „faulen“ Arbeitslosen ist die politische Diskussion um die „Drückeberger“ ein Dauerbrenner. Konkrete Vorschläge für schärfere Sanktionen gibt es bisher allerdings nicht. Das Bundesarbeitsministerium will bei der nun anstehenden Novellierung des Sozialgesetzbuches III jedoch durchsetzen, dass zumindest schwer vermittelbare Arbeitslose einen „Eingliederungsplan“ bekommen und sich verpflichten, daran teilzunehmen.

Die Frage ist nur, was man dann welchen Arbeitslosen anbietet: „Man kann ja nicht alle in Qualifizierungs- oder Beschäftigungsmaßnahmen stecken“, meint Pohl. In Berlin betreut zudem jeder Arbeitsvermittler rund 1.000 Erwerbslose. Wenn im großen Stil neue Eingliederungsmaßnahmen geplant seien, dann, so Pohl, „müsste man externe Vermittler einschalten“.