Wiederkäuend meditieren

■ Reisestipendiaten des Vereins „Neue Kunst in Hamburg“

Die Idee ist gut: Künstler werden in das Land ihrer Sehnsucht geschickt und können dort arbeiten. Damit sie sich auch mit der dortigen Kunstszene vernetzen, müssen sie einen Kollegen aus ihrem Gastland zur gemeinsamen Ausstellung nach Hamburg mitbringen. Dass die so erzielte Ausstellung im Kunsthaus etwas zusammengewürfelt ist, kann für die Güte der Idee in Kauf genommen werden.

Zum zweiten Mal hat der private Förderverein Neue Kunst in Hamburg jetzt fünf KünstlerInnen in die Welt ziehen lassen. Traumziele sind in diesem Jahr Brasilien, Tokio, Schottland, Island und Spitzbergen. Anna Gudjonsdottir zog es in das Land ihrer Kindheit. Die Mitbegründerin des Museums ferner Gegenden und der Galerie für Landschaftskunst brachte nicht nur raumfüllende Zeichnungen mit, auf denen sich die stillezerbrechenden Naturgeräusche wie Maschinenlärm ausnehmen, sie lud auch eine Klasse der Hochschule von Reykjavik ein, die hier nun skurrile Videos zeigt. Wer nicht 20 Minuten lang einem Schaf beim Wiederkäuen zusehen mag, kann über die Dokumentationen zum Sammlermuseum Safnasafnid des isländischen Künstlers Niels Hafstein staunen.

Mit dem Film über eine Busfahrt aus der brasilianischen Provinz in die Retortenhauptstadt Brasilia schafft es die Urbanisten-Künstlerin Ania Corcilius in nur zwanzig Minuten, Vision und Scheitern dieser Utopie der Sechziger Jahre darzustellen. Hans-Christian Dany und sein aufgrund seiner Eingriffe in Werbung, Nahverkehr und Post in Europa kriminalisierter Kollege aus Rio sind dem brasilianischen Alltag eher literarisch-vermittelnd auf der Spur. Pia Greschner zeigt mittels Videodoppelprojektion in brausender Stille Tokio vor dem Erwachen und gibt Einblicke in das Leben der Geisha, Performerin und Künstlerin Hanayo. Deren Fotos und Videos dekonstruieren den anerotisierten japanischen Niedlichkeitswahn, dessen Bruchstücke aus der Distanz wie Selbstverkitschung wirken. Da liebt es das alte Europa nicht so quietschbunt: Schwer fassbarer, in diversen sozialen Feldern entstandener schottischer Post-Punk rundet das internationale Menue ab. Hajo Schiff

Änia Corcilius+Brigida Baltar, Hans-Christian Dany+Valdinar Souza Lima, Pia Greschner+Hanayo, Anna Gudjonsdottir+Niels Hafstein, Stefan Thater+Keith Farquhar; Kunsthaus, Klosterwall 15; noch bis 20. Mai; Künstlerkataloge einzeln: 8,- Mark, 6 Hefte im Schuber: 20,- Mark; Hans Christian Dany zeigt die 3-stündigen Rio-Tapes, in denen 10 brasilianische Künstler ihr Leben erzählen: Donnerstag, 17. Mai, 20 Uhr