Bei Kränkung Mord

Psychiater bezeichnet mutmaßlichen Dreifachmörder Sven B. als schuldfähig  ■ Von Elke Spanner

Frauen, sagt Sven B., hat er „gehabt“. Es hat auch mal eine gegeben, die habe nicht mit ihm schlafen wollen. Die hat er dann aus der Wohnung geschmissen. Ansonsten hat er Frauen schnell „gekriegt“, ein Blickkontakt, die Sache war klar. Dann hat er sie „verarscht“.

Barbara D. aber hat sich nicht unterordnen wollen. Sie hat ihn verspottet, wenn er nicht die richtigen Worte fand. Sie hat ihn 1999 wegen Vergewaltigung angezeigt und für fünf Monate ins Untersuchungsgefängnis gebracht. Und als anschliesßend ein weiterer Versuch scheiterte, eine Beziehung zu führen, hat sie ihn verlassen. Doch wenn jemand eine Beziehung mit Sven B. beendet, dann er selbst. Er war gekränkt, sagt vor dem Landgericht der Psychiater Norbert Leygraf, in seinem männlichen Stolz verletzt. Und Frustrationen auszuhalten, das sei Sven B.s Sache nicht, seit er als Kind immer für sein Stottern gehänselt wurde. Wahrscheinlich wollte er Rache. Er wollte den Machtkampf doch noch gewinnen, den er zu verlieren drohte. Sven B. brachte seine Ex-Freundin und zwei ihrer drei Töchter um.

Am 31. August vorigen Jahres drang er in die Wilhelmsburger Wohnung ein, die Barbara D. schon seit Tagen aus Angst verbarrikadiert hatte. Er fesselte sie und die Töchter an ein Bügelbrett und richtete sie hin, 19 Projektile wurden später gefunden, bis zu 31 Mal könnte er abgedrückt haben.

Sven B. darf eine Sonnenbrille tragen, wenn er den Gerichtssaal betritt, weil ihm seit seiner Festnahme ein Auge fehlt. Und er darf seinen vernarbten Kopf bedecken. Trotz der Absprachen ist sein Auftritt eine Provokation: Zumeist wählt er ein Kopftuch in den Farben der US-amerikanischen Flagge, trägt dazu eine Jogginghose und kaut unablässig auf einem Kaugummi herum. Er will keinen guten, aber einen männlichen Eindruck machen. So hat selbst er noch etwas zu verlieren.

Einmal passiert es ihm, dass er innere Regung zeigt. Als Tonbänder abgespielt werden und er Telefonate zwischen sich und der Frau anhören soll, die er später tötete. Da schmeißt er einen Tisch um und brüllt, bis er von Schließern überwältigt und gefesselt wird. Das aber ist eine Regung, die er mit seinem männlichen Selbstbild vereinbaren kann: Aggressivität. Seine Selbstachtung kann er so bewahren. Zumindest, bis der Psychiater am folgenden Verhandlungstag sein Gutachten verliest. Und dieses Verhalten als „kindlichen Trotz“ tituliert.

Über das Aussehen von Sven B. und vor allem die Aggressivität, die da zutage trat, zeigen sich die Prozesszuschauer erschrocken. „Ungezügelt“ und „ungebändigt“ sind die Worte, die später die Runde machen. Es ist aber auch Befriedigung darüber spürbar, dass Sven B. es einem so einfach macht, einen wirklichen Mörder vor sich zu erkennen.

Sein Anwalt Uwe Maeffert hingegen sagt, Sven B. sei kein Mörder, sondern handelte im Affekt. Er kämpft gegen dieses Bild an. Am Tag nach dessen Ausraster bringt er Sven B. dazu, sich im Gericht gebührlich zu benehmen. Jetzt nickt Sven B. sogar auf Fragen des Richters. Zuvor hatte er diese schlicht ignoriert. Maeffert will auf eine verminderte Schuldfähigkeit seines Mandanten hinaus: Der erste Schuss habe sich unbeabsichtigt gelöst, dann habe Sven B. weitergeschossen, irgendwie, ohne zu wissen, was er da tut. Ob Sven B. sich nicht, fragt Maeffert den Psychiater, anschließend zu seinem Plan bekannt hätte, er hätte die drei ermorden wollen? Ob sich nicht gerade Sven B. so verhalten hätte, den der psychiatrische Sachverständige zuvor als so selbstherrlich beschrieb? Der aber bleibt dabei: Sven B. ist schuldfähig. Und ob das Ganze in einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung abgelaufen ist, darüber könne „kaum ernsthaft diskutiert werden“.