Stahlwerke-Kredit bringt Bremen Bares

■ Wert der Bremer Stahl-Anteile hat sich seit 1994 fast verdoppelt / Verkauf soll bis 2002 über die Bühne sein / Betriebsräte organisieren sich europaweit, um Entlassungen bei Fusion zu vermeiden

Bremen will aus dem Verkauf der landeseigenen Anteile an den Stahlwerken 300 Millionen Mark erlösen. Diese Summe kursiert in Kreisen der Bremer Bürgerschaft, die anonym bleiben wollen. Es wäre fast doppelt so viel, wie der Senat sich die Einlage 1994 hat kosten lassen.

Während der Senat sich zum Thema weiter ausschweigt, ist der Verkauf der Stahl-Anteile für Ulrich Keller, den Geschäftsführer der Bremer Investitionsgesellschaft (BIG), längst ausgemachte Sache: „Ich gehe davon aus, dass das Geschäft Mitte bis Ende 2002 über die Bühne ist.“

Die 1994 für die Rettung der Stahlkocher von Bremen eingesetzten Gelder in Höhe von 81,89 Millionen Euro (circa 160 Millionen Mark) wurden fast ausschließlich durch Schuldenaufnahme finanziert. Die BIG verwaltet die Anteile treuhänderisch derzeit für das Land. In einer Rettungsaktion hatte der Senat 1994 genau 30,33 Prozent der Anteile an den Stahlwerken erworben, die den vor der Pleite stehenden Klöckner-Werken gehört hatten. Das sicherte damals tausenden Bremer Stahlkochern den Arbeitsplatz. Bei dieser sogenannten „Interessentenlösung“ wurde die belgische Sidmar mit 69,67 Prozent der Anteile Mehrheitsgesellschafter.

Die Bremer Tranche, hauptsächlich durch Kredite finanziert, wurde damals aufgeteilt. Auf 6,35 Prozent (also 17,1 Millionen Euro) erwarb die Sidma ein Optionsrecht: Der Verkaufspreis bleibt damit auf dem Niveau von 1994 fixiert. Wenn die restlichen 23,98 Prozent der Landes-Anteile an die Sidmar beziehungsweise deren heutige Konzernmutter Arbed verkauft werden, kann dagegen frei verhandelt werden. Damals hatte Bremen dafür 126 Millionen Mark bezahlt. Heute dürften die Anteile über 260 Millionen Mark wert sein.

„Der Preis wird sich nach dem Wert des Unternehmens beim Jahresabschluss 2001 richten“, sagt BIG-Chef Keller. Er betont, es werde beim Verkauf „keine Schnellschüsse geben. Wir warten erst mal ab, wie das Kartellverfahren bei der EU ausgeht.“ Der luxemburgische Arbed-Konzern will bis Oktober mit der spanischen Aceralia und der französischen Usinor zum weltweit größten Stahlkonzern fusionieren. Keller schließt nicht aus, dass die EU Auflagen für den entstehenden Stahlriesen erlässt, die auch Bremen betreffen.

Doch jetzt schon zeigt die Mega-Fusion erste Auswirkungen auf die Jobs im neuen Konzern. Laut einem Zeitungsbericht stehen bei EKO in Eisenhüttenstadt 1.500 Arbeitsplätze auf der Kippe. Die Mutterfirma Usinor plane die Einstellung der sogenannten Flüssigstrecke, da ausgerechnet in Bremen – bald zusammen mit Eisenhüttenstadt in einem Konzern – günstiger produziert werde.

Viele der 5000 Bremer Stahlkocher befürchten, die Fusion werde auch hier Arbeitsplätze kosten. Sie sind enttäuscht, dass der Senat gerade in dieser kritischen Phase die Anteile abstoßen will, mit denen bei der letzten Krise Jobs gerettet wurden. BIG-Geschäftsführer Keller sagt dagegen, das Land habe jetzt genug für die Hütte getan: „Es ist nicht Aufgabe des Senats, ein Stahlwerk zu betreiben.“

Im Bremer Betriebsrat will sich indesssen noch niemand zur drohenden Rationalisierungswelle äußern. „Die Kaffeesatzleserei haben wir uns abgewöhnt“, sagt Betriebsrat Gerhard Janetzek. Schließlich sei noch nichts definitiv entschieden.

Allerdings tagen derzeit alle Arbed-Betriebsräte, also auch eine Bremer Delegation, in Luxemburg, um sich zu wappnen. Janetzek: „Eisenhüttenstadt ist ein Beispiel dafür, dass jeder nur auf seinen eigenen Horizont schaut. Deshalb müssen wir uns endlich zusammenschließen. Immerhin wird der neue Konzern nach der Fusion 110.000 Mitarbeiter haben.“ ksc