Keine Geduld mehr mit Künast

Obwohl die Verbraucherministerin erst 100 Tage im Amt ist, regiert bei den Umweltverbänden schon der Frust: Sie vernachlässige ihre natürlichen Freunde

BERLIN taz ■ 100 Tage ist Renate Künast nun im Amt. Bislang konnte die Verbraucherministerin alle Untiefen zwischen MKS und BSE umschiffen. Doch bei all dem Krisenmanagement kommt die konkrete Ausgestaltung der Agrarwende reichlich kurz. Das jedenfalls kritisierten gestern die Umweltverbände. Zwar habe Künast das richtige Konzept, erklärten Naturschutzbund (Nabu) und BUND einhellig. Doch „in der Praxis seien bislang nur „zarte Ansätze“ zu sehen, klagt BUND-Vorsitzende Angela Zahrnt.

Während aus Zahrnts Erklärung noch viel Verständnis angesichts der „enormen Widerstände“ auch auf EU-Ebene klingt, zeigt sich der Nabu ungewohnt ruppig. „Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht“, schimpft Nabu-Agrarexperte Volkhart Wille. Bei der Förderung des Ökolandbaus diagnostiziert er ein „konzeptionsloses Gewurstel“. Dabei zeichnete sich gerade sein Verband bislang eher durch Verständnis für grüne Regierungszwänge aus.

Doch diesmal sitzt der Frust. Man laufe beim Agrarministerium regelmäßig „in Watte hinein“, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Rat werde nicht gesucht, fertige Konzepte nicht angesehen. Dabei sei in Künasts Haus noch immer eine „große Strategielosigkeit“ zu erkennen. So sei die Anhörung für das geplante Ökosiegel völlig konzeptlos abgehalten worden. Der Nabu ist traditionell sehr in Landschaftspflege und Ökolandbau engagiert.

Doch die Umweltverbände kommen bei Künast offiziell nicht vor. In ihrem „magischen Sechseck“, mit dem sie die an der Agrarwende beteiligten gesellschaftlichen Gruppen beschreibt, tauchen sie nicht auf. Lediglich die Verbraucherverbände werden genannt. Dabei sind die, wie sie selbst zugeben, nicht ganz unschuldig an der bisherigen Agrardevise „Billiger ist besser“.

Mehr und mehr beschleicht die Ökoverbände das Gefühl, dass dies nicht nur ein rhetorisches Versehen aus Unerfahrenheit war. Natürlich erhalten auch sie Termine im Ministerium – doch sie fühlen sich nicht respektiert.

Dabei sind die inhaltlichen Unterschiede zwischen Umweltschützern und Ministerin bislang marginal – die Naturschützer fühlen sich deshalb als die natürlichen Freunde des neuen Ministeriums. Nur kommt das bei Künast offenbar nicht an.

Für die grüne Ministerin ist das eine brisante Situation. Nach MKS und BSE muss sie nun auch die Krise mit den Ökoverbänden managen. Dabei könnte sie in eine ebenso heikle Situation geraten wie Umweltminister Jürgen Trittin mit seiner Atompolitik. Ähnliche Töne klingen denn auch schon an: Es sei ihr noch nicht hinreichend gelungen, klagt der Nabu, ein „breites gesellschaftliches Bündnis für die Kehrtwende in der Agrarpolitik zu mobilisieren“. Und auch BUND-Chefin Zahrnt rechnet offenbar mit großen Enttäuschungen: Künast müsse in den nächsten Monaten auf „durchgreifenden Agrarreformen“ bestehen, formuliert sie orakelhaft, sonst sei die „viel beschworene Agrarwende am Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat“.

MATTHIAS URBACH