Ganz statistisch: Frauen holen auf

Der „Mikrozensus 2000“ zeigt: Die Zunahme der Arbeitslosigkeit in den letzten zehn Jahren hat Männer deutlich stärker getroffen. In der Generation unter 30 haben mehr Frauen die Hochschulreife und beim Führungsnachwuchs herrscht Gleichheit

von EBERHARD SEIDEL

Männer dominieren über Frauen, der Westen über den Osten. So war es, so ist es. Und wie es möglicherweise künftig sein wird, darüber lieferte das Statistische Bundesamt gestern mit seiner Studie „Leben und Arbeiten in Deutschland – Mikrozensus 2000“ einige Anhaltspunkte. Ergebnis: Seit 1991 haben Frauen gegenüber den Männern im Erwerbsleben deutlich aufgeholt. Weniger erfolgreich war der Osten gegenüber den Altländern.

„Der Osten blutet aus“ – zu dieser umstrittenen These wollte sich der Präsident des Statistischen Bundesamts, Johann Hahlen, gestern nicht äußern. Statistiker lassen lieber Zahlen sprechen. Richtig sei, so Hahlen, dass die neuen Bundesländer seit 1991 rund eine halbe Million ihrer Bürger an den Westen verloren haben. Der Grund ist klar: Zuwanderung findet vor allem dort statt, wo die Arbeit ist. In den letzten zehn Jahren hat Ostdeutschland fast zwanzig Prozent seiner Arbeitsplätze verloren – genau 1.166.000. Im Westen hingegen kamen 320.000 hinzu und damit sind es dort jetzt rund 30 Millionen Arbeitsplätze.

Aber die Arbeitsplätze werden im Osten nicht nur zur Mangelware, im Vergleich zum Westen sind sie auch weniger attraktiv. So müssen Arbeiter und Arbeiterinnen im Osten wöchentlich 3,3 Stunden mehr arbeiten als ihre Westkollegen. Bei den Beamten und Beamtinnen immerhin noch 1,9 Stunden. Eine Angleichung hat in der letzten Dekade nicht stattgefunden.

Deutliche Unterschiede gibt esauch in der Qualität der Arbeitsplätze. Während im Westen nur 7,8 Prozent der Arbeitnehmer befristete Arbeitsverträge hinnehmen müssen, sind es in den neuen Ländern 13,4 Prozent. Tendenz steigend. Vor allem jungen Männern wird republikweit ein Mehr an Unsicherheit zugemutet: 34,6 Prozent der erwerbstätigen Männer zwischen 20 und 25 Jahren und 19,3 Prozent der Frauen haben eine befristete Stelle. Bei den 25- bis 30-Jährigen sind es dann noch 15,2 Prozent unter Männern und 12,6 Prozent unter Frauen.

Wie sieht die Entwicklung der letzten zehn Jahre im Bereich der Gleichstellung aus? Die Zunahme der Arbeitslosigkeit trifft seit 1991 die Männer wesentlich stärker als die Frauen. Deutschlandweit stieg sie bei den Männern um knapp 60 Prozent, bei den Frauen dagegen nur um 24 Prozent. Und das, obwohl die Erwerbsquote bei den 15 bis 65 Jahren alten Männern von gut 78 Prozent auf 73 Prozent gefallen ist. Die Erwerbsquote der Frauen stieg im gleichen Zeitraum leicht von 57 auf 58 Prozent an.

Inwieweit die höhere Bereitschaft der Frauen, eine Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung anzunehmen, verantwortlich ist, darüber sagt die Statistik nichts aus. Nur so viel: Während knapp 5 Prozent der Männer einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen, sind es bei den Frauen mehr als 38 Prozent. Auch in diesem Bereich gibt es gravierende Ost-West-Unterschiede. Im Osten arbeiten 13 Prozent Teilzeit, im Westen 22 Prozent.

Laut Erhebungen der Statistiker ist das Ausbildungsniveau der Generation der unter 30-Jährigen deutlich höher als das der Älteren. In dieser Generation haben die Frauen inzwischen die Nase vorn. Im Gegensatz zu 27 Prozent der Männer verfügen 33 Prozent der Frauen über Fachhochschul- oder Hochschulreife.

Inwieweit dies auch eine Veränderung des Geschlechterverhältnisse in den Führungsetagen nach sich zieht, bleibt abzuwarten. Noch spricht Hahlen von einer Zweidrittelgesellschaft: Ein Drittel der Führungspositionen sei von Frauen, zwei Drittel von Männern besetzt. Während bei den Männern das Senioritätsprinzip gilt – je älter, desto mehr Führungspositionen –, ist bei den Frauen in der Altersgruppe der 30- bis 45-Jährigen der Anteil an Führungspositionen am höchsten. Bei den unter Dreißigjährigen scheint so etwas wie Gleichstellung zu herrschen: Hier gaben jeweils sieben Prozent der Männer und Frauen an, Führungspositionen auszuüben. Mal sehen, wohin das führt.

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