Mirakel in Blau

Der 1. FC Kaiserslautern hofft auf ein Wunder – und kann ein solches beim 1:4 gegen Alavés auch prompt erleben

KAISERSLAUTERN taz ■ Bestimmt waren die Basken zuletzt im Jahr 778 nach Christus so glücklich und zufrieden über einen Erfolg gegen die Deutschen. Damals besiegten sie bei Roncesvalles am Fuße der Pyrenäen die Armee Karls des Großen und erschlugen bei der Gelegenheit gleich noch den bretonischen Adligen Roland. Was das mit Fußball zu tun hat, im Besonderen mit dem Uefa-Cup? Nun: Auch nach der Auslosung der diesjährigen Halbfinal-Paarungen machte sich deutsche Arroganz breit, als in und um Kaiserslautern gefragt wurde: Wer ist Alavés? Und: Wo liegt dieses Alavés? Vor allem Lauterns sich selbst überschätzender Torhüter Georg Koch schien in Erdkunde permanent geschlafen und den Blick auf spanische Liga-Tabellen strikt verweigert zu haben.

Nach dem Hinspiel vor zwei Wochen wussten die Lauterer dann nur zu gut, wer Alavés ist, nämlich: eine Ansammlung durchaus passabler Fußballer, die die Pfälzer mit 5:1 geschlagen und ihnen für das Rückspiel lediglich die Hoffnung auf ein Wunder gelassen hatten. In etwa von der Größe, wie es 1982 geschehen war, als die Lauterer Real Madrid mit 5:0 vom Betzenberg gefegt hatten und damals überraschend ins Halbfinale des Uefa-Pokals eingezogen waren.

Am Donnerstagabend hätte ein 4:0 schon genügt, um am 16. Mai ins Finale von Dortmund gegen den FC Liverpool einzuziehen. Doch mit einem seit Wochen mit der Organisation seiner Abwehr überforderten Torhüter Georg Koch und der katastrophalen Defensive um den leichtsinnigen Hany Ramzy starb die Hoffnung auf ein neues Mirakel bereits nach einem Viertel der Spielzeit. Zwar hatte der anfangs spielfreudige Welt-und Europameister Youri Djorkaeff den 1. FCK schon nach sieben Minuten in Führung gebracht, doch nach vergebenen Chancen von Marian Hristov und Ramzy zerstörte Ivan Alonso die Träume der Lauterer. Nach seinem 1:1 in der 23. Minute, begünstigt durch einen Stellungsfehler von Koch, war das Rennen zu Gunsten der Basken gelaufen. Djorkaeff verzweifelte fortan von Minute zu Minute an der spielerischen Inkompetenz seiner Mitstreiter, die gegen die mutigen und spielerisch besseren Gäste Fehler an Fehler reihten.

„Wir glauben an euch, sonst wären wir nicht hier“, stand auf einem Transparent auf der Westtribüne, doch dieses Bekenntnis war eher tröstender denn aufmunternder Natur. Gegen Ende des Spiels, als die Basken durch ein Tor des eingewechselten Vucko (64.) längst mit 2:1 führten, verfielen die FCK-Fans in Selbstironie, indem sie deutlich karnevalistische Gesänge anstimmten, um die unsäglichen Defizite ihrer Mannschaft zu überdecken. Der hoch gelobte Miroslav Klose stolperte derweil hilflos durch den Strafraum der Basken, Djorkaeff hatte längst kapituliert, und in der Abwehr machte sich immer mehr Untergangsstimmung breit. Kein einziger Schuss der Lauterer brachte in der zweiten Halbzeit Gefahr vor das Tor des gar nicht so sattelfest wirkenden Keepers Martin Herrera.

So hatten die Basken, die ohne ihren verletzten Torjäger Moreno und den für die Liga geschonten Jordi Cruyff angetreten waren, keinerlei Mühe, Fehler von Ramzy (86.) und erneut von Georg Koch (88.) zu den Toren drei und vier zu nutzen. Fast wäre es gar gelungen, das Ergebnis aus dem Hinspiel zu wiederholen.

Kein Wunder also, dass Trainer Mané zufrieden war. Seine Mannschaft bewies auf dem Betzenberg, dass sie nicht in erster Linie dank des norwegischen Schiedsrichters aus dem Hinspiel weitergekommen war, sondern „weil sie eine kompakte Leistung gezeigt hatte“. Manés Lieblingsgegner für das Finale hieß eigentlich FC Barcelona, doch wenn man zum ersten Mal in einem europäischen Wettbewerb mitspielt, können sich nicht gleich alle Wünsche erfüllen. Oder vielleicht doch?

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