Ledig, jung und außerirdisch

Sie sind schulpflichtig und fremd auf Erden: Roswell, samstags 17 Uhr, Pro 7

Der Mythos ist bekannt: Nahe dem Militärstützpunkt Roswell in New Mexico soll 1947 ein unbekanntes Flugobjekt abgestürzt sein. Um diesen Vorgang ranken sich diverse, in Filmen und TV-Serien wie „Akte X“ vielfach variierte Legenden.

Die Fama besagt, dass einige Insassen des UFOs überlebten und von den US-Behörden an einem abgelegenen Ort festgesetzt wurden. Einer anderen Version zufolge ließ die Regierung die Leichname der Fremden beiseite schaffen und unter strengster Geheimhaltung obduzieren. Das Städtchen Roswell lebt von dieser hartnäckigen Überlieferung, Verschwörungstheoretiker und UFO-Gläubige bescheren der Gastronomie gute Umsätze.

Hier setzt „Roswell“, die Serie, an. Im Cafe „Crash Down“ werden „Will-Smith-“ und „Sigourney-Weaver-Burger“ serviert. Die Kellnerinnen tragen alberne Uniformen und silberne Antennen auf dem Kopf. Liz Parker (Shiri Appleby) ist die Tochter der Eigentümer und verdient sich hier nach Schulschluss ihr Taschengeld. Eines Nachmittags geraten zwei Gäste in einen Streit, ein Schuss fällt und trifft die unbeteiligte Liz. Ihr Klassenkamerad Max (Jason Behr) ist Zeuge des Vorfalls. Er eilt zu der Sterbenden und leistet wirksame Hilfe: Unter seiner heilenden Hand schließt sich die heftig blutende Wunde wie durch Zauberkraft. Er bittet Liz um ihr Stillschweigen und verschwindet.

Später wird Liz von Max, der für sie mehr als nur Freundschaft empfindet, ins Vertrauen gezogen: Seine Schwester Isabel (Katherine Heigl) und ihr gemeinsamer Freund Michael (Brendan Fehr) sind nicht von dieser Welt. Als Sechsjährige schlüpften sie aus einer Art Kokon. Die Geschwister wurden von wohlmeinenden Zieheltern aufgenommen. Michael hatte weniger Glück und landete bei einem Trunkenbold in einem Trailerpark. Äußerlich unterscheiden sich die drei in nichts von erdgeborenen Menschen. Allerdings verfügen sie über einige paranormale Fähigkeiten, denen Liz ihr Leben verdankt. Durch den Vorfall im Cafe wurde auch der Sheriff (William Sadler) auf das Trio aufmerksam. Es wird zusehends schwerer für die drei jugendlichen Aliens und ihre Vertrauten, das Geheimnis ihrer Herkunft zu wahren ...

Auf den Kern reduziert, erscheint die Serie als wüst fabuliertes Garn, in dem die klassische High-School-Serie und jugendorientierte Science-Fiction gekreuzt wurden.

Die Erzählung folgt der Warte der jungen Liz, die die Ereignisse mit ungläubigem Staunen wiedergibt. „Ich bin Liz Parker und vor fünf Tagen gestorben“, notiert sie lakonisch in ihrem Tagebuch. „Aber danach wurde es erst richtig verrückt.“ Ihre Irritationen betreffen freilich nicht nur die Begegnung mit Außerirdischen gleichen Alters. Ähnlich wie in der Serie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ wird der fantastische Kontext zur Allegorie alterstypischer Verunsicherungen. Die Gestrandeten unbekannter Herkunft erfahren die Wirrungen der Spanne zwischen Kindheit und Erwachsensein besonders intensiv. Die Klärung ihrer Identität, die Sorge um die Zukunft, die Suche nach einem Platz im Leben sind für sie von existentieller Bedeutung.

Aus diesen Konflikten gewinnt die in Sachen Action eher verhaltene Serie den besonderen Reiz. Die Titelmelodie von Dido, inzwischen in allen Hörfunksendern im Dauereinsatz, gibt die melancholisch gefärbte Stimmung vor. Die Episoden sind mit ihrer Mischung aus Schwermut, Spannung und unaufdringlicher Komik exzellent geschrieben – unterhaltsame und tiefgründige Science-Fiction, an der auch ein anspruchsvolles Publikum Gefallen finden kann. HARALD KELLER