Im Notfall auch ohne die USA

Umweltverbände sind der Ansicht, dass der Klimaschutz ohne die Amerikaner schneller vorangetrieben werden kann. Die Wirtschaft sieht das anders

aus Washington ELLY JUNGHANS

Das entscheidende Signal aus den USA kam bereits vor dem heutigen Beginn der Konferenz: Umweltministerin Christine Todd Whitman versprach, die Bush-Administration werde die Verhandlungen der 41 Vertragsstaaten über das Kioto-Klimaschutzprotokoll nicht torpedieren. „Im Zweifelsfall macht es eben ohne uns!“ ist die Linie von Präsident Bush, die es weiter ablehnt, zu den in Kioto übernommen Verpflichtungen zu stehen. Mit dem offiziellen Desinteresse am Klimaschutz erfüllen die USA die heimlichen Hoffnungen der europäischen Klimadiplomaten: Wenn sie schon nicht mitspielen, dann wenigstens ohne zu blockieren.

Für die Umweltverbände gilt inzwischen der Slogan: „Fuck off, America!“

Verabschiedeten sich die USA von ihrer klimapolitischen Verantwortung, könne der Rest der Welt viel einfacher den Klimaschutz vorantreiben. Vor allem die EU müsse nun „Führungsstärke beweisen“ und Initiative zeigen, meint der Klimaexperte des WWF Europa, Stephan Singer. Die Klimaschutz-Koalition müsse vor allem Japan und Kanada, als Bremser im Klimaschutz bisherige Verbündete der USA, umfassen.

Die Taktik der Klimaschützer aus Umweltverbänden und Regierungen: Langfristig könnten sich die USA nicht dem internationalen Klimaschutz entziehen. Die französische Umweltministerin Dominique Voynet ließ in New York durchblicken, dass sich die EU flexibel zeigen würde, wenn die US-Regierung an den Verhandlungstisch zurückkehrte. Zwar ist am Zeitplan von Kioto und an den dort festgelegten Abbauzielen nach europäischer Darstellung nicht mehr zu rütteln. Den USA könnte aber eine Art von Rabatt eingeräumt werden – zum Beispiel durch die Anrechnung angeblich klimafreundlicher Forst- und Landwirtschaftspraktiken.

Diese Bereitschaft allerdings lässt bei den Umweltverbänden die Alarmglocken schrillen. Denn mit dem Zugeständnis würde den USA eine ihre Hauptforderungen erfüllt, an denen die Klimakonferenz in Den Haag im vergangenen November gescheitert war. „Lieber ein richtiges Protokoll ohne die USA als ein Papier, das den Amerikanern lauter Schlupflöcher gewährt“, heißt es. Zu groß ist die Angst der Umweltschützer, dass bei einem solchen Protokoll auch die anderen Länder auf Extrawürsten bestehen.

Um die Allianz zusammenzubekommen, muss jetzt kräftig gerechnet werden: Unter den 55 ratifizierenden Ländern müssen Industriestaaten sein, die 1990 zusammen 55 Prozent des CO2-Ausstoßes der entwickelten Welt auf sich vereinten. Die USA schlagen mit 36,1 Prozent zu Buche, die EU mit 24,2 Prozent, Russland mit 17,4 Prozent, Japan mit 8,5 Prozent und die osteuropäischen EU-Kandidaten mit 7,4 Prozent.

Der australische Außenminister Alexander Downer erklärte, sein Land werde keine Konfrontation mit Washington in der Frage des Klimaschutzes suchen. Ähnlich äußerte sich die kanadische Regierung. Wie sich Japan verhält, könnte nicht zuletzt davon abhängen, ob der ehemalige Ministerpräsident Ryutaro Hashimoto nächste Woche erneut zum Regierungschef gekürt wird. Seinerzeit Gastgeber der Verhandlungen von Kioto, dürfte das Überleben des Protokolls für ihn eine Prestigefrage sein.

Allerdings stehen einer Ratifizierung des Kioto-Protokolls ohne die USA wirtschaftliche Interessen entgegen. Japanische wie europäische Unternehmen fürchten einen Wettbewerbsnachteil, wenn sie sich im Gegensatz zu ihren US-Konkurrenten an die Beschränkung der Emissionen halten müssen. Schließlich hatte Bush seine Abkehr von dem Abkommen mit höheren Energiepreisen und dementsprechendem Schaden für die US-Wirtschaft begründet. Umweltminister Trittin pries den Klimaschutz hingegen in New York als Motor technologischer Innovation.

Indes sollten sich die Europäer hüten, einer innenpolitisch ausgerichteten PR-Kampagne aufzusitzen, mit der Bush derzeit sein Umwelt-Image aufpolieren will. Im Vorfeld des „Earth Day“ am Sonntag verkündete er eine Reihe von Maßnahmen, die ihn wenig kosten, wie die Unterzeichnung der POP-Konvention zum Verbot organischer Giftstoffe.