„Ich gegen Runde“

Der Vorwahlkampf für die Hamburger Bürgerschaft am 23. September kommt auf Touren. Die Parteien befinden in diesen Wochen über ihre Programm und SpitzenkandidatInnen oder haben dies bereits getan. Zeit für erste Interviews. Heute im taz-Gespräch: Ole von Beust, zum zweiten Mal Bürgermeister-Kandidat der CDU. Am nächsten Montag: Heike Sudmann, Spitzenkandidatin des Regenbogen.

taz: Was machen Sie denn so am 24. September, Herr von Beust?

Ole von Beust: Ich bereite mich auf Koalitionsverhandlungen vor.

Mit wem?

Das hängt von den Wahlergebnissen ab. Ich hoffe, nicht mit der SPD, und ich glaube, auch nicht mit den Grünen.

Eine Große Koalition mit der SPD schließen Sie also nicht aus?

Ich will keine. Aber was bei der Wahl rechnerisch rauskommt, weiß ich doch auch nicht. Es wäre albern, jetzt „nie“ zu sagen.

Wir dachten bislang, Ihr Ziel sei, die Sozialdemokraten aus dem Senat zu vertreiben, und nicht, die Macht mit ihnen zu teilen?

Mein Hauptziel bleibt natürlich, die SPD nach 44 Jahren endlich abzulösen. Das ist überfällig. Deshalb wird unser Wahlkampf auch sehr stark personifiziert sein. Das wird ein Bürgermeister-Wahlkampf, ich gegen Ortwin Runde.

Und wenn Sie verlieren, stehen sie Runde auch als Juniorpartner und Mehrheitsbeschaffer zur Seite?

Ich will die CDU zur stärksten Partei in Hamburg machen. Dann müssen andere sagen, ob sie bereit sind, die Rolle des kleinen Koalitionspartners zu übernehmen.

Mit wievielen Prozenten rechnen Sie für die CDU?

Das weiß ich wirklich nicht. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Rot-Grün keine Mehrheit mehr haben und die CDU stärkste Fraktion sein wird. Und dann sehen wir weiter.

Sehen Sie dann auch Schill?

Ich schließe Schill nicht aus. Das hängt vom Programm ab ...

Das ist einfach: Law and Order überall.

Bei der Inneren Sicherheit haben wir gewiss einige Übereinstimmungen im Grundsatz. Ob das trägt, vermag ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Eine Option aber ist Schill, keine Frage.

Sie haben vor ein paar Jahren auch mit Schwarz-Grün geliebäugelt. Kommt das noch in Frage?

Im Moment sehe ich da keine Grundlage. Dazu trennt uns zuviel in den entscheidenden Bereichen wie die Bekämpfung der Gewaltkriminalität oder die Verkehrspolitik, wo sehr viel falsch läuft. Aber auch eine Koalition mit der GAL kann ich nicht ausschließen, ich strebe sie aber nicht an.

Offen nach allen Seiten, vor allem nach oben?

Man darf in der Politik niemals „nie“ sagen, das wäre strategisch falsch.

Was würden Sie eigentlich in der Wirtschaftspolitik besser machen als SPD und GAL? Aus unserer Sicht macht Rot-Grün genau die Standortpolitik, welche die Union gerne machen würde.

Der Eindruck ist nur partiell richtig. Er trifft zu bei unserer Unterstützung von Großprojekten, über die politisch bereits zu entscheiden war. Bei der Elbvertiefung zum Beispiel oder beim A380 hat die CDU mit am selben Strang gezogen. Wir können ja nicht gegen unsere Meinungen handeln, bloß weil Rot-Grün mal was richtig macht. Anders sieht es bei der strategischen Perspektive aus. Man darf sich nicht nur auf Großprojekte konzentrieren, man darf die kleinen und mittleren Betriebe nicht vernachlässigen. Eine Wirtschaftspolitik, die sich nur auf Prestigeprojekte ausrichtet, halte ich für falsch.

Das gilt auch für die Entwicklung der Hafen-City, die ja viele wirtschaftspolitische Aspekte hat. Nach der jetzigen Planung wird das zu einer City der Millionäre. Normale Mieter und kleine Betriebe haben da keine Chancen. Das ist fatal ...

War aber vorhersehbar: Die Grundstücksverkäufe in der Hafen-City sollen die Hafenerweiterung in Altenwerder finanzieren. Deshalb müssen die Erlöse möglichst hoch sein.

Diese Vorgabe ist aber falsch. Sie verteuert die Flächen in der Hafen-City und hat zur Konsequenz, das dort kein gemischter, lebendiger Stadtteil entsteht. Es geht dem Senat nicht um die Frage, was sollte da hin, sondern nur um das Erzielen von Höchstpreisen. Das ist keine sinnvolle Stadtentwicklung und keine sinnvolle Wirtschaftspolitik.

Auch in der Finanzpolitik hieß es früher, das könne nur die CDU. Der Senat hat gerade wieder einen ausgeglichenen Betriebshaushalt vorgelegt. Können Sie doch an sich nichts gegen sagen.

An dem harten Sparprogramm mit gravierenden Einschnitten vor allem bei Bildung und Sozialem, welches Rot-Grün in Hamburg durchzieht, sind vor allem die Sozialdemokraten selber Schuld. Die meisten Schulden sind doch entstanden, als Bürgermeister Runde noch Finanzsenator war. Dass man nicht darum herumkommt, diese Schulden abzubauen, erkenne ich an. Aber man darf doch Ross und Reiter nicht vergessen: Die SPD hat Hamburg in diese Lage gebracht.

Das gilt vermutlich auch für ein anderes Thema: Kann man sich in Hamburg eigentlich noch auf die Straße wagen?

Das ist richtig. Raubüberfälle, Jugendkriminalität, offene Drogenszene – das sind Probleme, die riesige Emotionen wecken, für die der Senat aber nicht einmal den Ansatz zu einer Lösung hat.

Wir meinten das anders: Im vorigen Jahr wurden in Hamburg 38 Menschen ermordet, aber 41 im Straßenverkehr getötet; 3451 Menschen wurden Opfer von Körperverletzungen, bei Verkehrsunfällen kamen 9715 Menschen körperlich zu Schaden. Unsere Frage also: Kann man sich in Hamburg noch auf die Straße wagen?

Die Falle ist Ihnen gelungen.

Rauskommen müssen Sie da selber.

Die Menschen fühlen sich durch vorsätzliche Gewalt doch mehr bedroht als durch Unfälle. Diese subjektiven Ängste muss man sehr ernst nehmen ...

Objektiv aber ist es gefährlicher, bei Tag den Jungfernstieg zu überqueren als nachts durch einen dunklen Park zu gehen.

Das zu vermischen, halte ich zwar für intellektuell spannend, aber politisch für nicht zulässig. Dazu sind die Ursachen zu verschieden. Und die vorsätzliche Gewalt gegen Leib und Leben ist das größere Problem in dieser Stadt. Das muss unbedingt gelöst werden.

Die Sicherheit im Straßenverkehr ist vor allem deshalb ein Problem, weil es keine intelligente Verkehrslenkung gibt, die Autofahrern zeigt, wie sie am besten durch die Stadt kommen. Muss ja nicht mit 60 sein, auch mit 30 oder 50. Auch die größeren Projekte wie Hafenquerspange, Ausbau der Ringe 2 und 3, die A26, der Autobahnring um Hamburg müssen dringend realisiert werden.

Wir verstehen nur Auto.

Auch die Radwege – ich nehme an, dass das taz-Leser besonders interessiert – in der Innenstadt sind ja eine einzige Katastrophe. Daran ändern auch diese virtuellen Velo-Routen nichts. Die sind nett gemeint und lassen sich gut verkaufen, aber der Rest bleibt katastrophal.

Da haben Sie mal Recht.

Danke.

Katastrophal finden Sie vermutlich auch den Verkauf der Roten Flora an einen Privatmann?

Das löst das Problem nicht, denn das ist keine Frage der Eigentumsverhältnisse. Es geht hier um einen Bereich, aus dem heraus häufig Gewalttätigkeiten begangen wurden, und der zur Stabilisierung der Drogenszene im Schanzenviertel beiträgt.

Halten Sie weiterhin daran fest, die Rote Flora zu räumen, wenn Sie Bürgermeister sind?

Wenn das rechtlich möglich ist und die Flora in einer konkreten Situation eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, dann würde ich das machen.

Wir sehen die Gefahr, dass das Thema Innere Sicherheit im Wahlkampf von CDU und auch SPD dramatisiert wird, ähnlich wie 1997. Damals hat die Debatte über „Zero Tolerance“ dem Original am rechten Rand genützt: Der DVU, die damals nur haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte ...

Und Sie meinen, jetzt ist Schill das Original?

Ja.

Ich finde, das ist zu schlicht gedacht.

Danke.

War nicht persönlich gemeint. Es ist doch so, dass es dieses Problem gibt, diese große Unzufriedenheit in der Bevölkerung, das kann man doch nicht leugnen. Man kann es also gar nicht aus einem Wahlkampf heraushalten. Und die CDU hat einen Kompetenzvorsprung, um das Problem zu lösen. Das darzustellen, ist legitim...

Und macht Schill hoffähig.

Ich denke, der holt seine Stimmen eher bei den unzufriedenen und enttäuschten SPD-Wählern und bei denen, die voriges Mal gar nicht gewählt haben. Das hat nichts mit dem Wahlkampf der CDU zu tun. Schill spricht so oder so das Protestpotential an, das nicht differenziert zwischen Senat und Opposition. Für die sind wir alle „die da oben im Rathaus“.

Wenn Sie in ein paar Monaten ganz oben im Rathaus sitzen sollten, auf dem Sessel des Regierungschefs, welches werden dann die drei großen Zukunftsthemen für Hamburg sein, die sie sofort anpacken?

Bildung ist das Zukunftsthema Nummer 1. Hamburg gibt pro Schüler am meisten Geld aus von allen Bundesländern, und das Ergebnis ist katastrophal schlecht. Hamburgs Universitäten wurden zusammengespart. Das muss sich ändern. Zweitens muss strategisch in einer Achse Hamburg-Berlin gedacht werden ...

Kommen Sie jetzt wieder mit dem Transrapid?

Der oder Hochgeschwindigkeitszüge, eines von beiden ist notwendig. Und eine gemeinsame Standortpolitik mit Berlin in allen Bereichen. Das Dritte ist eine sozial ausgewogene und wirtschaftspolitisch verantwortliche Stadtentwicklung.

Auch Ihnen bieten wir unsere obligatorische Wette an: Die CDU bleibt unter 35 Prozent, in der Opposition, und Sie selbst gehen nächstes Jahr nach Berlin in den Bundestag.

Die Wette werden Sie mit Sicherheit verlieren. In allen drei Teilen.

Interview:

Peter Ahrens / Sven-Michael Veit