nebensachen aus oslo
: Norwegen wird moralisch

Probleme mit den Königskindern

Eine Verfassung haben fast alle, einen schriftlichen Moralkodex dagegen nur wenige Staaten. Norwegen hat jetzt einen bekommen. Nach dreijähriger Arbeit hat die „Kommission der moralischen Werte“ ihren Abschlussbericht vorgelegt. 280 Seiten stark und ein Mischmasch, der von Geschwindikeitsbeschränkungen bis zu einem würdigen Sterben und der Forderung nach einer Abgabe eines Teils des Öleinnahmekuchens an Entwicklungsländer reicht – und am Drogenverbot festhält.

Da kommt es natürlich ungelegen, wenn ausgerechnet eine der wichtigsten Insitutionen des Landes, das Königshaus, bei diesem Thema Probleme bekommt – nämlich bei der Wahl der Lebensabschnittspartner.

Ari Behn, heißer Verlobungskandidat von Prinzessin Märtha, Tochter von König Harald und Königin Sonja, wird in der Boulevardpresse weniger als der Verfasser und Filmproduzent abgefeiert, der er gerne sein möchte, sondern irgendwo zwischen Playboy und Dandy angesiedelt. Der nicht nur Filme dreht, in denen Prostituierte in aller Ruhe Kokain schnupfen, sondern der auch selbst auftritt, wie er offenbar genüsslich seinen Joint raucht.

Als der Märtha-Freund es nicht angebracht fand, solcherlei Beschuldigungen zu kommentieren, stattdessen aber einem Journalisten, der es gewagt hatte, sein 94-seitiges Erstlingswerk zu kritisieren, einen Fausthandschuh auf den Schreibtisch warf und ihn zum Duell aufforderte, verlor sogar ein leibhaftiger Staatssekretär seine diplomatische Zurückhaltung: „Die Monarchie gräbt sich ihr eigenes Grab“, donnerte aus dem Regierungsviertel Expfarrer Einar Gelius: „Erst sucht sich der Kronprinz eine Frau, die vorwiegend für hemmungsloses Feiern bekannt ist, dann die Kronprinzessin einen Freund, der unter Frauen und Drogen herumwatet.“

Märthas „Fehltritt“ kam zu einem Zeitpunkt, als das Königshaus gerade gehofft hatte, die Öffentlichkeit über die Partnerinwahl ihres Bruders Kronprinz Haakon besänftigt zu haben. Monatelang hatte „seine“ Mette-Marit für Schlagzeilen gesorgt. Nicht, weil sie eine „Bürgerliche“ ist. Nein, was die vorwiegend frommen NorwegerInnen Haakon übelnahmen, war „Unmoralisches“: Nicht nur fehlte seine Auserwählte selten unter den Stammgästen von Oslos wildesten, alkohol- und drogengeschwängerten Partys, sie ist dazu auch noch allein stehende Mutter eines Sohnes aus anderer Beziehung. Und Haakon wollte gar „in Sünde“ mit ihr zusammenziehen. Doch das ist Vergangenheit: im August wird geheiratet.

Angesichts dieser Turbulenzen sammelt eine „Initiative für eine Republik Norwegen“ erfolgreich Stimmen für die Abhaltung einer Volksabstimmung zur Abschaffung der Monarchie. Spätestens 2005 soll das Referendum abgehalten werden. REINHARD WOLFF