Die FDP outet sich als Volkspartei

Damit die FDP im Osten wählbar wird, soll der Soli-Zuschlag bleiben, fordert die designierte Generalsekretärin Cornelia Pieper. Doch der neue Kurs weckt Widerstand – und heizt das interne Ringen über die richtige Aufstellung zur Bundestagswahl an

von MATTHIAS URBACH

Die FDP habe in der Vergangenheit „einen schweren Fehler“ gemacht, sagte die designierte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper am Wochenende. Damit kritisiert sie die alte Forderung ihrer Partei, den Solidarzuschlag abzuschaffen. Als Landeschefin der Liberalen in Sachsen-Anhalt weiß Pieper nämlich, wie dieser Beschluss im Osten ankommt. Und deswegen beteuert sie: Ohne Kompensation werde die Forderung nach Abschaffung des Soli-Zuschlages „mit mir als Generalsekretärin nicht mehr gestellt werden können“.

Diese Äußerung, kaum getan, brachte Piepers Westkollegen unverzüglich in Rage. Es bleibe bei der Forderung der Abschaffung, erklärten Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms und Wirtschaftssprecher Paul Friedhoff. „Die FDP hat immer erklärt, dass der Soli-Zuschlag so schnell wie möglich abgeschafft werden muss“, so Friedhoff.

Was immer schon war, muss nicht länger gelten. Die Parteispitze ist auf Volksparteikurs. Piepers Vorstoß war offenbar abgesprochen, mit ihrem Förderer Guido Westerwelle, der auf dem Bundesparteitag im Mai zum Parteichef gewählt werden will. Er sagte, man müsse weg von „der Fixierung auf den Solidaritätsvorschlag“. Es gehe der FDP doch um ein einfacheres und gerechteres Steuersystem – und um niedrigere Steuern.

In seinem Strategiepapier zur Bundestagswahl verlangt Guido Westerwelle, die FDP müsse zu einer „Partei für das ganze Volk werden“. Zuweilen redet er auch von „eine Partei für alle Schichten des Volkes“. Das Wort „Volkspartei“ dagegen meidet Westerwelle; genau wie das Wort „Kanzlerkandidat“. Denn damit bringt sich Jürgen Möllemann stets ins Gespräch für einen möglichst prominentesten Posten in der Partei. Westerwelle sähe den nordrhein-westfälischen FDP-Fraktionschef lieber unter sich als Parteivize, ein Posten, den er Möllemann jüngst anbot.

In dieser Frage ist Cornelia Pieper weniger exakt. Ihr sei es „Wurscht“, vertraute sie dem Nachrichtenmagazin Focus an, ob man von einem Spitzenkandidaten oder einem Kanzlerkandidaten spreche. „Die Ostlandesverbände sehen das nicht so verklemmt.“ Doch es geht um mehr als Namen, es geht um Möllemann als Frontmann der Partei oder eben Westerwelle. Folglich hatte Westerwelle erklärt: Den Spitzenkandidaten „unter dem Namen Kanzlerkandidat laufen zu lassen, das kann sehr schnell die Grenze zwischen Mut und Übermut sein“.

Doch nicht nur die Frage der Kanzlerkandidatur, auch die Aufstellung als Volkspartei – ob nun offen so genannt oder nicht – provoziert Widerstand. Parteivize Brüderle wendet sich klar gegen den Kurs von Westerwelle oder Möllemann. Dem Tagesspiegel zufolge, schreibt er in einem Strategiepapier, dass der Kurs zur Volkspartei zu einem „zwangsläufig undifferenziertem Politikangebot“ führe. Um wieder in die Regierung zu kommen, müsse man auf „Kompetenz und Tiefgang“ setzen statt auf „oberflächliche Politik“.

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