Kein Recht auf Faulheit

Hire and fire: Dienstrechtsreform zwischen Leistungsprinzip und Jobvernichtung

Wer als junger Wissenschaftler Karriere an der Uni machen will, braucht einen geradezu buddhistischen Gleichmut. Professoren, die vor Jahrzehnten auf Lebenszeit berufen wurden, können sich über einen gut bezahlten und krisenfesten Job freuen. Dagegen feiern Nachwuchswissenschaftler es schon als Erfolg, wenn sie eine befristete Stelle für fünf Jahre ergattern. Für viele ist das Ende der Bescheidenheit erreicht: Physiker mit Doktortitel suchen sich gut bezahlte Jobs in der Internet-Wirtschaft, promovierte Geisteswissenschaftler eröffnen ihren eigenen Taxibetrieb oder gehen gleich ins Ausland zum Lehren und Forschen.

Diese Entwicklung treibt langsam auch der Politik die Sorgenfalten ins Gesicht: „Wir können es uns nicht länger leisten, dass die besten Köpfe ins Ausland abwandern, weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden“, sagt Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). Eine Reform des Dienstrechts an den Hochschulen soll helfen, „die Chance des Generationenwechsels“ für die Erneuerung der Akademikerschmieden zu nutzen. Besonders auf die Einführung so genannter Juniorprofessuren setzt die Regierung. Auf zeitlich befristeten Stellen von maximal zwei mal drei Jahren sollen nach diesem Konzept die Nachwuchs-Professoren ohne die bisher vorgeschriebene Habilitationsschrift, das „Meisterstück“ einer wissenschaftlichen Karriere, lehren und forschen. Damit könnten junge Wissenschaftler nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Doktorarbeit selbstständig eine Forschungsgruppe aufbauen und ihr eigenes Profil in der Lehre entwickeln – und das in relativer Unabhängigkeit von altgedienten Hochschullehrern. Stimmt die Leistung, ist die Bewerbung auf eine reguläre Professorenstelle möglich. Darüber hinaus sollen die Kategorien wissenschaftlicher Assistent oder Hochschuldozent zu Gunsten der Juniorprofessuren entfallen.

Auch die Bezahlung von Hochschullehren soll sich ändern: Neben einem monatlichen Grundgehalt könnte in Zukunft eine leistungsbezogene Komponente den akademischen Lohn bestimmen. Interessante Perspektiven für die akademischen Startups. Professoren, die sich besonders für Lehre und Forschung oder die Betreuung von Studenten engagieren, erhalten dann mehr Geld. Nicht mehr alleine das Älterwerden würde dann das Einkommen der Hochschullehrer bestimmen, sondern vor allem ihre Leistung. Ganz so, wie es im richtigen Leben eben auch üblich ist.

Grundsätzlich steht die „Initiative wissenschaftlicher Nachwuchs“ dem Reformvorhaben aufgeschlossen gegenüber. Bei dem Reformwerk habe man aber versäumt, für die Generation der jetzt 35- bis 45-Jährigen, die gerade an ihrer Habilitationsschrift sitzen, eine Übergangsfrist zu schaffen. „In der bisherigen Fassung schickt die geplante Reform den existierenden wissenschaftlichen Nachwuchs im Laufe der nächsten Jahre Schritt für Schritt auf die Straße“, heißt es in einer Stellungnahme der Initiative. Darum fordern die Junioren, die mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren ihren jugendlichen Zenit schon deutlich überschritten haben, dass frei werdende Professuren umgehend neu besetzt und nicht in Juniorprofessuren umgewidmet werden sollen. Die geplante Altersgrenze bei der Erstberufung lehnen sie ebenfalls ab.

Mitte Mai berät der Bundestag in erster Lesung den Gesetzentwurf zur Reform des Dienstrechts. In Verhandlungen mit den Ländern hat die Bundesregierung für die Einrichtung von 3.000 Juniorprofessuren innerhalb von drei Jahren 360 Millionen Mark zugesagt. Die Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter, heißt es aus dem Bildungsministerium, werden nach Ablauf der Verträge nicht weiter verlängert. Wenig erfreulich gerade für den akademischen Mittelbau, der den Uni-Betrieb in den letzten Jahren engagiert aufrechterhalten hat. So werden Fahrgäste im Taxi demnächst wohl häufiger in den zweifelhaften Genuss kommen, von Chauffeuren mit Doktortitel kutschiert zu werden. VOLKER ENGELS