„Dann müssen wir wieder ran“

■ Panzer zu Spielzeugautos: Experten der Rüstungskonversion tagen in Bremen

Der fortwährende Doppelpass aus globalen und lokalen Fragen ist das Perpetuum Mobile moderner Gesellschaftsentwicklung. Auch die Rüstungskonversion bewegt sich in diesem Spannungsfeld. Auf der einen Seite die Überregionalität und Transnationalität von Friedens-/Kriegspolitik und Rüs-tungsindustrie, auf der anderen die lokalen Fragestellungen hinsichtlich einzelner Rüstungsunternehmen, Militärbasen und deren strukturpolitisch möglichst effektiver Konversion.

Mit den Erfahrungen und Perspektiven von Konversionsstrategien wird sich eine Tagung beschäftigen, die am Wochenende im Bremer Rathaus stattfindet. Die taz sprach mit Prof. Wolfram Elsner, dem ehemaligen Bremer Konversionsbeauftragten und einem der Organisatoren der mit über 50 illustren Referenten aus 15 Ländern bestückten Veranstaltung.

taz: Was kann eine Konferenz zur Konversionspolitik der aktuellen Rüstungsdynamik entgegensetzen?

Elsner: Es geht darum, die verschiedenen Diskurse von Frieden, Rüstung, Abrüstung, Umrüstung, Struktur-, Regional- und Industriepolitik, Konfliktstrategien und strukturpolitische Maßnahmen zusammenzuführen.

Wird es dabei lediglich um das Zurechtzimmern eines Diskussionsrahmens oder auch um politische Handlungsaufforderungen gehen?

Es wird Handlungsaufforderungen in zwei Richtungen geben. Zum einen hinsichtlich Fragen alternativer Konfliktstrategien und Formen internationaler Einsätze. Zum anderen in Richtung Regionalpolitik. Die europäische Szene, die auf der Konferenz versammelt ist, wird dabei endogene Entwicklungen aufzeigen, die betroffene Regionen unabhängiger machen vom Wohl und Wehe von Rüstungsaufträgen. Der US-Vertreter John Accordino wird gewissermaßen als Warnung am Beispiel der Pentagon-Ökonomie an der Ostküste der USA veranschaulichen, welch verheerende Wirkungen es hat, wenn eine ganze Region dem Diktat der Militärpolitik ausgeliefert ist.

Warum sollen die betroffenen Regionen sich neuen strukturpolitischen Wegen jenseits der Rüst-ungsindustrie öffnen?

Ungeachtet aller anderslautender Rhetorik von STN Atlas, Bremens größtem Rüstungskonzern, haben wir in dieser Stadt in den letzten Jahren viel erreicht. Wir haben private Industriebürokratien fit für zivile Märkte und damit unabhängiger von Rüstungsmärkten gemacht. Für die Region heißt das, dass wir heute sehr viel weniger anfällig sind als vor zehn Jahren.

Auch wenn sich etwa STN Atlas nach einigen Krisen quasi von allen Konversionsstrategien verabschiedet hat und sich auch ohne zivile Märkte wieder in den schwarzen Zahlen befindet?

Natürlich wäre es schöner, wenn STN ein weiterhin konvertierendes Unternehmen wäre. Diese Bewertung einzelner Betriebe ändert aber nichts am positiven Resümee für die Gesamt-Region. Ganz abgesehen davon wage ich zu bezweifeln, dass die Fortschreibung der Abhängigkeiten von einem Auftraggeber für STN betriebswirtschaftlich eine schlaue Strategie ist. In zehn Jahren sieht das alles nämlich wieder ganz anders aus. Und dann müssen wir wieder ran.

Das bedeutet, dass solche Diversifizierungsstrategien am besten in schlechten Zeiten andocken.

Man muss an Momenten der Unsicherheit ansetzen. Wie Anfang der Neunziger, als der verlässliche Partner Bund ausfiel und die Unternehmen plötzlich anfingen, auf die Regionen zu hören. Wichtig war da, den Unternehmen Networking anzubieten. Das bedeutete, dass sich mehrere Unternehmen zusammentun, um sich so aus dem Sumpf zu ziehen. So wurde es möglich, mittel- und langfristige Infrastrukturen zu schaffen und damit eine allgemeine Strukturpolitik zu formulieren.

Und die Probleme der Strategien?

Die Regionen sind zu klein. Die Bündnisse hätten größer sein müssen.

Im Konjunktiv auch die letzte Frage: Was wären die Strategievorschläge, die Sie als Output aus der Konferenz erwarten?

Der Output muss sein, die friedenspolitische Frage mit der strukturpolitischen zu verbinden. Ob Konversion unten in der Region gemacht werden kann, hängt davon ab, wie weltweit mit Konflikten umgegangen wird. Die große Politik mit der kleinen Politik zusammenzuknüpfen, das ist wie in vielen anderen Poltikfeldern auch hier die Anforderung.

Fragen: Matthias Muth