Machtkampf um die Sahne-Strecken

■ Zwischen dem Land Niedersachsen und der Deutschen Bahn knallt es: Das Land will die profitabelsten Strecken nicht mehr der DB überlassen, sondern eine Tochterfirma fahren lassen

Die Nahverkehrsstrecken zwischen Bremen – Hamburg und Hamburg – Uelzen laufen gut. Viele Pendler, gute Aussichten. „Da kann man noch richtig positive Zahlen schreiben“, meint Stefan Wenzel, Verkehrsreferent der Grünen in Niedersachsen. Ein Grund für die niedersächsische Landesregierung der Deutschen Bahn die Zähne zu zeigen: Per „freihändiger Vergabe“ soll die DB Regio in Zukunft nicht mehr wie bisher den Auftrag für diese Strecken kriegen. Stattdessen soll möglicherweise schon ab Winterfahrplan 2002 die Osthannoversche Eisenbahn an den Strecken profitieren.

„Wir wollen mehr Wettbewerb auf der Schiene. Und dafür müssen wir die Wettbewerber stärken“, lautet die simple Devise des Verkehrsministeriums und der Landesverkehrsgemeinschaft Niedersachsen (LNVG). Andere wittern hinter dem Gerangel um die besten Strecken eher einen Machtkampf zwischen Bahn und Landesregierung: „Bisher hatte die Bahn doch fast das alleinige Monopol in Niedersachsen. Ging irgendwo etwas kaputt, setzten die das Land unter Druck und wollten mehr Geld“, meint Michael Frömming vom Verkehrs Club Deutschland (VCD). Darum tobt jetzt ein Landes-Aufstand gegen den Schienen-Riesen. „Wir wollen der DB zeigen, dass auch andere guten Nahverkehr machen können“, heißt die Kampfansage bei der LNVG.

Bislang hatte sich das Land richtig Zeit gelassen mit der Ausschreibung ihrer Nahverkehrsstrecken. Während in Schleswig-Holstein inzwischen ein Großteil der Regionalexpresse von Privatbahnen gefahren werden, wurden in Niedersachsen gerade mal drei Strecken ausgeschrieben, die an die NordWestBahn gingen. Jetzt stehen holterdipolter zwei weitere Strecken auf dem Plan.

Vor lauter Eile soll es diesmal auch keine europaweite Ausschreibung geben, wie noch bei der NordWestBahn. Das aufwendige Verfahren hätte mindestens drei Jahre gedauert. Stattdessen wird per Minister-Entscheid die Osthannoversche Eisenbahn auf diese Strecke gebeten. Ausgerechnet. „Schließlich gehört die Osthannoversche zum Teil dem Land selbst. Da sind die Prioritäten klar“, mutmaßt man beim VCD. Andere Interessenten wurden erst gar nicht gefragt.

Im Gegensatz zu fast totgesagten Strecken, die die NordWestBahn mit guten Angeboten wieder flott gekriegt hat, serviert die Landesregierung diesmal echte Filetstücke, die ohnehin gut laufen. Dass die Osthannoversche Eisenbahn bislang nur Güter statt Personen transportierte, störte da auch nicht mehr. Immerhin hat man inzwischen die „Eisenbahn und Verkehrsbetrieb Elbe-Weser GmbH“ (EVB) ins Boot geholt. Das Unternehmen, das zwischen Bremerhaven und Hamburg mit Güter- wie Personenzügen pendelt, soll jetzt das Know-how für den Personenverkehr einbringen, bestätigt deren Geschäftsführer Ulrich Koch.

Zwar ist der Grüne Wenzel und der VCD-Mann Frömming im Prinzip für die Liberalisierung auf der Schiene. Allerdings liegt ihnen die Art der Vergabe eher wie eine Stein im Magen. „Bei einer öffentlichen Ausschreibung kann man vergleichen, wer wie oft und wann fahren will, mit welchem Wagenmaterial und zu welchem Preis. Jetzt wird das in Gremien diskutiert, die nicht öffentlich sind,“ kritisiert Wenzel. Seine Forderung: In Zukunft müssten solche Entscheidungen fair und transparent gemacht werden. „Wir hielten es für besser, wenn das Land jedes Jahr fünf bis sieben Prozent seiner Strecken ausschreibt. Das gibt allen Beteiligten Planungssicherheit.“

Die Pendler zwischen Hamburg, Bremen und Uelzen dagegen dürften sich über die Ad-hoc-Vergabe trotzdem freuen. Zwar verhandelt das Konsortium derzeit noch mit dem Land um das genaue Konzept. Im Vergleich zur Bahn setzt die EVB auf „mehr Service und mehr Züge“. Zwischen Bremerhaven und Hamburg hat Koch bewiesen, dass das funktioniert: Statt 1.700 Menschen hat Koch seit 1993 inzwischen 3.500 Menschen in seine Züge gelockt.

„Bessere Qualität und mehr Leis-tung“ fordert auch die LNVG von ihren zukünftigen Streckenbetreibern – ohne mehr Geld zu bezahlen. Bislang hat das Land für jeden Zugkilometer der DB pauschal rund 13 Mark an Zuschüssen gezahlt. Mit den Privaten – so die Hoffnung – ließen sich die Zuschüsse womöglich auf unter zehn Mark senken. Außerdem hofft man durch Fahrgaststeigerungen auch auf mehr Einnahmen. „Allerdings darf das Geld nicht im Landeshaushalt verschwinden“, warnt Frömming. Das müsse in zusätzliche Züge vor allem in den Abendstunden investiert werden. pipe